Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
Vom Netzwerk:
Traktat angelegt gewesen wäre? Unerhörtes kann nur erzählt werden, Absurdes wird durch das Geschenk der Erzählung an den Zuhörer glaubhaft.
    Wer aber erzählt worden ist, der bleibt mundtot am Wegesrand sitzen, wo die bunte und laute Prozession der Geschichten dahingezogen ist.

Weihnachtspunsch Bockshödlein
    Lasse sollte auf einer Vernissage im Kulturhaus in Rättvik spielen. Ich kam natürlich mit, doch als ich aus dem Auto stieg, begegnete ich Lillemor samt einem ganzen Gefolge von Kulturdamen. Ich dachte, ich würde mir nicht anmerken lassen, dass ich ihn kannte, und dass wir sicherlich wegkämen, ohne dass sie etwas mitbekam.
    Nachdem die Kulturreferentin eine viel zu lange Begrüßungsrede gehalten hatte, stieg Lasse in seiner Festtagstracht aus dem Rättvikkirchspiel aufs Podium. Ein Raunen ob seines Ruhms ging durch den Saal, wie schon vorher, als Lillemor hereingekommen war. Ihm war bestimmt warm in seinem Mantel aus blauem Loden, dessen Vorderkanten und Ärmel säuberlich rot eingefasst waren. Die Achseln waren reich bestickt. Lasse legte seinen schwarzen Hut ab, um dessen Kopfteil ein rotes und weißes Brettchenwebband mit roten Bommeln an den Enden saß. Er trug grobe weiße Wollstrümpfe, und seine schwarzen Schuhe waren handgemacht und mit Silberspangen verziert. Er sagte immer, in der Tracht sehe er aus wie ein wandelndes Heimatmuseum, und sie sei ziemlich warm. Auf den Spielmannstreffen spielte er oft in Hemd und Weste, aber hier wurden offenbar höhere Ansprüche gestellt.
    Er sollte später jedoch sowohl den Mantel als auch die Weste ablegen, und das ist es, was ich erzählen muss, auch wenn es schmerzt. Lillemor war mächtig aufgedreht, und nachdem die Leute nach seinem Auftritt eine Weile herumgezockelt und sich bleichsüchtige Landschaftsgemälde angesehen hatten, schnappte sie sich Lasse, der gerade zum Auto ging. Ich hörte nicht, was sie sagte, aber ich witterte Unheil und eilte zu ihnen auf den Hof hinaus.
    »Du kommst doch mit?«, fragte Lillemor.
    »Wohin?«
    »Nach Örnäs«, sagte sie. »Lasse hat versprochen, für uns zu spielen, wenn er ein bisschen was zu essen bekommt. Du kannst unterwegs was einkaufen.«
    So kam es, dass ich mit Tragetaschen voll Fleischwurst, Fleischklößchen, gegrilltem Rippenspeer und was er, wie ich wusste, sonst noch mochte, lange nach den anderen eintraf. Pilsner hatte ich ebenfalls gekauft. Eine der Kulturtanten chauffierte mich. Sie gehörte wohl auch zu denen, die anderen die Taschen tragen dürfen. Lillemor briet Kartoffeln, und die Damen plauderten und tranken Wein. Es war fürchterlich kulturell, und ich dachte mir, ohne Schnaps würden sie Lasse nie zum Spielen bewegen. Lillemor war jedoch nicht auf den Kopf gefallen. Als er über eine trockene Kehle klagte, machte sie ihm ein Pilsner auf und holte außerdem Sunes Whisky und seinen Jubiläumsaquavit aus dem Schrank.
    Ich werde das jetzt nicht in die Länge ziehen, denn es ist nur peinlich. Am Ende trank Lasse alten Weihnachtspunsch, den Lillemor in den Tiefen eines Schranks aufgestöbert hatte. Lasse schwitzte und hatte den langen Mantel und die Weste längst aufs Sofa geworfen. Unter den Achseln hatte er große Schweißflecken im Leinenhemd. Er spielte so, dass die Tanten sagten, es klinge hübsch. Da wurde er sauer, riss sich die Hemdknöpfe auf, sodass sein Fell zu sehen war, und begann ernsthaft zu spielen.
    Lillemor, die normalerweise nicht sonderlich viel trank, hatte einen sitzen. Eine andere Erklärung gibt es nicht. Sie nannte ihn Dschingis Khan und sagte dann auswendig Gedichte von Karlfeldt auf, während er spielte. So was wie »in dunkler Augustnacht« und »köstlich berauscht und ganz sacht« und anderen halbpornografischen Kram. Weil Lasse sich ausschließlich Lillemor widmete und offenkundig nur für sie spielte, brachen die Tanten zu nachtschlafender Zeit allmählich auf, um nach Hause zu fahren. Lillemor hörte gar nicht hin, als sie sich bedankten, denn sie lag auf dem Sofa und deklamierte über die Venusblume, Bockshödlein und wie »im Dunkel der Leidenschaft Bogenstrich schwingt«. Lasse improvisierte auf seiner Geige zu ihren Deklamationen, und es klang nicht sonderlich gut in meinen Ohren. Er war knüppelhagelvoll, hatte er doch Sunes Whisky und Aquavit noch den Weihnachtspunsch hinterhergeschüttet. Folgenden Erguss von Lillemor habe ich eigens nachgeschlagen, denn ich erinnerte mich an die Schlüsselwörter darin:
    Tief in der Wurzel, heimlich es fließet
    irdischer

Weitere Kostenlose Bücher