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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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Halbschuhen in den stillen Saal ein. An Frackrevers glänzten Sterne aus emailliertem Silberblech. Lillemor, die noch nicht dabei war (sie antichambrierte, wie das hieß), hatte mir verraten, dass es sich um reines Rokokotheater handelte. Der König galt, wie seinerzeit Gustav III., in seiner für die Zeremonie aufgebauten Box als inkognito anwesend, folglich kümmerte man sich nicht um ihn. Man tat es aber doch, denn Konsequenz scheint keine Sache von Akademien zu sein: Jedes Mitglied stellte sich vor die königliche Box und verneigte sich, bevor es seinen Stuhl aufsuchte.
    Einer dieser Käuze trug weiße Joggingschuhe zum Frack. Lillemor erzählte später, dass er an Gicht leide, die er hartnäckig Podagra nenne, weil diese schmerzhafte Krankheit in den Zehen dadurch einen historischen Touch bekomme. Ein anderer hatte eine Milchstraße von Schuppen auf dem Frack, wie ich bemerkte, als er direkt vor Astrid und mir seinen Stuhl fand. Und weil wir sehr nah an dem langen Tisch saßen, sah ich, dass eine der Kerzen schief brannte, und ich roch das Stearin, ja wir saßen sogar so nah, dass ich die Flecken auf der verblassten Seidentischdecke erkennen konnte. Die graublaue Seide der Stühle wirkte frischer, sie waren bestimmt neu bezogen worden, und das wahrscheinlich schon mehrmals im Lauf von zweihundert Jahren.
    Es war eine zermürbend lange Sitzung. Der Vorsitzende, mitnichten so genannt – er wurde Direktor tituliert und war gelb im Gesicht –, hielt eine Rede. Ein alter Dichter trug mal brüllend, mal flüsternd seine Poeme vor, und der Sekretär verlas die Liste derer, die einen Preis der Akademie erhalten hatten. Er war immerhin schnell.
    Neben mir seufzte Astrid, die eine leichte Kognakfahne hatte. Sie saß unruhig zuckend auf der unbequemen Bank. Die Lider seiner Majestät waren nach wie vor geschlossen, und seine Gemahlin wirkte überaus interessiert. Lillemor wurde vom Sekretär hereingeleitet, der sich erhoben hatte, um sie zu holen, als ein befrackter Hausdiener eine der Doppeltüren zum Versammlungsraum aufschlug.
    Sie ergriff mit den Fingerspitzen den Rock ihres Kleides und verneigte sich so, wie es eine sozialdemokratische Ministerin einst als Gruß weiblicher Untertanen vor Majestäten eingeführt hatte. Dann unterschrieb sie am Tischende jenes umfangreiche Dokument auf steifem Papier, möglicherweise Pergament, das für den Fall der Geschwätzigkeit über die Angelegenheiten der Akademie mit dem Ausschluss drohte, der aber nie vollzogen wurde. Anschließend sprach sie mit ihrer dünnen Stimme fünfundzwanzig Minuten lang, ohne allzu piepsig zu klingen. Astrid seufzte, aber nicht vor Begeisterung. Ihr wären spektakulärere Zeremonien bestimmt lieber gewesen als ein Vortrag. Warum nicht Schwerter, Totenköpfe und Umhänge? Und die Verwandlung des Leitungswassers in den Gläsern auf dem Tisch in das Blut des hochseligen Gustavs III., wenn die Eingeweihten daran nippten?
    Am Ende, als das königliche Gefolge abgezogen war, entstand ein fürchterliches Gedrängel. Astrid hatte Lillemor dazu überredet, zu der Zeremonie ein paar Verwandte einzuladen, doch hatten die meisten abgesagt. Auf der Bank für die Angehörigen saßen lediglich sie und ich und eine Tante von Lillemor, die Elna hieß und ziemlich bissig war.
    »Soll dieser kleine Knubbel intellektuell sein?«, bemerkte sie über Lillemors Knoten auf dem Scheitel.
    Es kam fast zu einem Handgemenge, und in dem Geschubse und Gedränge verrutschte Astrids kastanienbraune Perücke. Ich hatte das Gefühl, dass Lillemor vor uns in das Zimmer des Sekretärs floh, wo für das Diner gedeckt war. Sie war leichenblass.
    Für die zur Jahresfeier der Schwedischen Akademie geladenen Gäste ist das Ende des Abends eine enttäuschende Angelegenheit. Da legen sie Abendgarderobe samt Orden und Schmuck an, und wenn nach etwa einer Stunde alles vorbei ist, dürfen sie, nicht anders als das Königspaar, nach Hause fahren und sich in Rapport die Nachrichten anschauen. Astrid wollte jedoch ausgehen und in einem Restaurant feiern, und sie brachte Tante Elna dazu, sie zu begleiten. Ich kann mir die Stimmung lebhaft vorstellen, denn Elna war durchaus in der Lage, den gewaltigen Hochmut ihrer Schwägerin noch mehr zu stauchen.
    Ich lehnte den Restaurantbesuch mit den bedeutungsschweren Worten ab: »Du verstehst bestimmt, dass ich nach Hause muss und schreiben.«
    Doch Astrid befand sich jenseits solcher Subtilitäten. In der Garderobe hatte sie sich einen ordentlichen Schluck

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