Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
gewesen war. Trotz der Angebote eines Zirkusdirektors wurde weiter nichts daraus. Stattdessen wurde er Parteivorsitzender der Rechtspartei und Freund der Gefangenen. Jetzt saß er hier mit seiner kleinen gestreiften Fliege und rührte in einer Teetasse. Bereute er, nicht Zauberer geworden zu sein? Bereute ich, es geworden zu sein?
In den Jahren, in denen ich in meiner Vorhölle herumtrottete, hatte ich zumindest den Vorteil, Bücher lesen zu können, die nicht schlecht rochen. Bevor ich abends von der Buchhandlung nach Hause ging, steckte ich sie mir unauffällig in die Tasche. Mit Bengt war Schluss, ja mit Bengans Kfz-Werkstatt überhaupt, da ihm der Sinn danach stand, zu heiraten und Kinder zu kriegen, weswegen er anfing, tanzen zu gehen. Mit den entsprechenden Folgen. Es machte mich ein Weilchen traurig, aber mein größter Kummer war, dass ich jetzt allein schreiben musste.
Eigentlich sollte das kein großes Problem sein, denn ich konnte schreiben. Ich war ganz einfach gut. Es war nicht nötig, dass Lillemor in meinen Manuskripten herumstocherte. Und ausgedacht hatte ohnehin alles ich.
Maschineschreiben kam mir natürlich absolut trist vor. Mit krummem Rücken dazusitzen und in die Tasten zu hacken konnte kein Vergnügen sein. Damals hatten die Schreibmaschinen außerdem einen Wagenrücklauf, den man mit der Hand betätigen musste. Bei jedem Zeilenende plingte es zur Erinnerung an die Mechanik unseres Vorhabens. Aber das Tippen konnte ich mir ja bis zuletzt aufsparen. Ebenso meinen wirklichen Kummer: einen Verlag zu finden.
Wovon es handeln sollte, wusste ich schon. Von einem ungleichen Paar, das in Babelsberg in Kramfors einen zugigen Holzkasten bewohnte. Er arbeitete bei den Hackschnitzeln im Sägewerk, sie als Kellnerin in einer Konditorei. Ursprünglich waren es wohl mein Vater und meine Mutter, aber das Paar entwickelte in meinem Kopf bald ein Eigenleben. Dadurch, dass die beiden ihr Auskommen hatten und nicht aufsteigen wollten, besaßen sie eine Art Unberührbarkeit. Allein der Gedanke, über anderen zu stehen, erschreckte sie. Sie wollten an ihrem Küchentisch sitzen und lesend allem entfliehen. Sie glaubten an den guten Willen ihrer Politiker und betrachteten deren Machtansprüche mit Nachsicht. Auch wenn sie zu den Stillen im Lande gehörten, waren sie nicht so naiv zu glauben, dass Menschen wie sie irgendwann die Erde als Besitz erhalten würden. Sie wollten sie auch gar nicht haben. Sie wollten nur so leben, wie sie es für sich erprobt hatten, ohne jemandem zu nahe zu treten und außer dem Hypothekendarlehen auf ihren Holzkasten etwas schuldig zu sein. Das mochte originell erscheinen (vor allem weil sie wie besessen lasen), doch war ich mir im Klaren darüber, dass es in Babelsberg und den anderen Winkeln in der Gegend von Kramfors viele eigenartige, um nicht zu sagen: seltsame Lebensweisen und etliche Besessenheiten gab. Bestimmt gab es die überall.
Die Bilder ihres Lebens erfüllten mich, sobald ich das Haus verließ und auf geschotterten Straßen oder Wegen mit moderndem Laub ging. Das war kein Problem. Schlimmer war es im Hinblick auf einen Verlag. Ich konnte mich nicht die berühmte Treppe hinaufsteigen sehen, die Lillemor beschrieben hatte. Einige von denen, die sie erklommen hatten, waren bettelarm und verzweifelt, andere so gelassen bürgerlich wie der Verleger. Aber sie waren nicht wie ich. Natürlich musste ich nicht zu dem großen Verlag gehen. Vielleicht würde Tidens besser zu mir passen. Mein Vater hatte die Bücher dieses Verlags über den Vertrauensmann im Werk bezogen.
Ich füllte Bibliothekskarteikarten mit dem Traumleben in Kramfors, aber es war irgendwie nichts. Nichts Ganzes. Ich kann es nicht erklären.
Und außerdem war ich eine Frau. Man solle sich mit niemandem vergleichen, sagte mein Vater immer. Dabei ging es aber in erster Linie darum, dass wir uns keine Schlittschuhstiefel leisten konnten, sondern dass ich eben nur diese altmodischen Kufen hatte, die man mit Riemen an den Schuhen festschnallte. Doch es saß. Jetzt verglich ich mich, und es bekam mir nicht gut. Als Sven Delblanc Waldstein herausbrachte, wurde ich vor Neid mutlos, erholte mich aber wieder, als er den wunderlichen Homunculus vorlegte. Per Olov Enquist war zu der Zeitnoch nicht auf der Höhe, weswegen ich ihn wohl nicht so im Auge behielt. Es war jedoch unmöglich, jene Autorinnen wegzudenken, deren Bücher in der Lundequistska-Buchhandlung lagen und sich zumindest teilweise wie warme Semmeln
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