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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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würden wir sie eine Kommune und ihr Programm »Zurück zur Natur« nennen, im Augenblick aber war es eine Bande zorniger Frauenzimmer, die mit ihren Kindern einen stillgelegten Hof in Ångermanland besetzt hatten. Der Grund und Boden und somit auch die baufälligen Häuser gehörten einem der größten Forstunternehmen. Quadratkilometer um Quadratkilometer Altwald, der eine Welt für sich gewesen war, wurde jetzt in Kahlschläge mit Steingeröll und Wurzeltellern und am Ende dann in produktive Holzplantagen verwandelt. Man versprühte nach Herzenslust Herbizide, Stickstoff und Phosphor und wollte dabei natürlich nicht von kampflustigen Enthusiastinnen für ein natürlicheres Leben und weniger ausbeuterische Produktionsbedingungen beobachtet werden. Diese Leute trugen zwar Inkamützen und Hippiehalsbänder, schrieben aber auch in den Zeitungen. Deshalb hätte man sie am liebsten wie Ungeziefer ausgeräuchert. Sie bissen sich fest.
    Lillemors Artikel lief darauf hinaus, dass sie ein Recht hätten, in den Häusern zu wohnen, ein Recht zu versuchen, die verwucherten Äcker und verwachsenen Weidegründe wieder urbar zu machen. Sie standen für eine andere Ordnung, ein Experiment alternativer Lebensweise, und Lillemor meinte, unser Wohlstandsland müsste es sich leisten können, solche friedlichen Abweichler zu tolerieren. Sie redete offenbar einer Art Naturrecht das Wort, und das mit großer Energie. Ich war überrascht. Um ehrlich zu sein, ich war verblüfft.
    Eines Frühlingstages kam sie in einem Hosenanzug aus schmiegsamem Cord in die Lundequistska. Er war zartgrün und saß wie eine zweite Haut. Sie sagte, sie hätte gern Rachel Carsons Der stumme Frühling . Wir hatten das Buch nicht da, deshalb riet ich ihr, es in einem Antiquariat zu versuchen. Und dann begab ich mich selbst auf die Jagd nach diesem Buch. Ich wollte es ihr, wenn ich es bekäme, nach Hause bringen. Ich wusste jetzt, dass sie in einer baumlosen Gegend zwischen Kvarngärdet und Gränby wohnte. Sie hatte einen kleinen Renault 4, so einen mit einem Schalthebel, der wie der Griff eines Krückstocks aussah, und ich fragte sie, ob sie die Adresse einer preisgünstigen Werkstatt haben wolle. Das sei nicht nötig, antwortete sie.
    Ich war besessen davon, Rachel Carsons Buch zu bekommen. Schließlich nahm ich mir frei und setzte mich in den Zug nach Stockholm, um dort durch die Antiquariate zu ziehen und danach zu suchen. Ich hatte kein Glück. Da entwendete ich es aus der Stadtbibliothek. Ich fand das nicht weiter merkwürdig. Es war wahrscheinlich so, als wenn es Balzac nicht gelungen wäre, Walter Scotts Ivanhoe zu bekommen, als er sich gerade in der Branche nach vorn kämpfte, und er daraufhin einfach irgendeinen Salon betrat und es dort mitgehen ließ. Oder wenn Strindberg, als er Das rote Zimmer schrieb, Balzacs Verlorene Illusionen gestohlen hätte, was gar nicht so unwahrscheinlich ist. Manchmal muss man ein bestimmtes Buch einfach haben, um weiterzukommen.
    Eigentlich brauchte ich Der stumme Frühling gar nicht zu lesen. Ich würde vor Lillemors Tür stehen, und wenn ich es in der Hand hielte, würde sie mich schwerlich abweisen.
    Die Gegend, in der sie wohnte, war das stadtplanerische und architektonische Gegenstück zu den zig Quadratkilometer großen Kahlschlägen. Hier würde man sich, hol’s der Teufel, wohlfühlen oder eben eingehen. Und genau wie nach einem schlagweisen Hieb und der Umpflügung eines Waldes ist an einer solchen Stelle eigentlich nur eine Art Bewohner rentabel und überlebensfähig. Ich war mir ziemlich sicher, dass Lillemor nicht dazugehörte.
    Als ich vor ihrer Tür stand und den Zeigefinger auf den Klingelknopf setzte, fürchtete ich, sie würde womöglich sauer, weil ich schon wieder auftauchte, und zitterte. Das wäre nicht nötig gewesen. Denn als die Tür aufging, stand da eine fremde Frau im Putzkittel. Ich fragte nach Lillemor.
    »Die ist ausgezogen.«
    »Wohin denn?«
    »Das weiß ich nicht. Irgendwo nach Norrland.«
    Ich stellte den Fuß in die Tür und versuchte Zeit zu gewinnen, um mehr zu erfahren. Außerdem wollte ich sehen, wie Lillemor gewohnt hatte. Von der Diele aus sah man aber nur ein ausgeräumtes Wohnzimmer.
    »Sie wird wohl noch mal wiederkommen und packen«, sagte ich und deutete auf einen großen Kleiderhaufen auf dem Fußboden in der Diele.
    »Das hat sie alles zurückgelassen«, sagte die Frau. »Ich soll den Umzugsputz machen.«
    Ziemlich aggressiv fügte sie hinzu, sie habe die Erlaubnis, sich

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