Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
glänzten sie metallisch. Wenn sich der Mond kurz zeigte, sah man wenigstens, wohin man die Füße setzte. Man gewöhnte sich jedoch an die Dunkelheit und sah immer besser. Lillemor hatte mich gebeten, einen Rechen zu holen, und als sie jetzt den Inhalt der Kartons in das schwarz glänzende Wasser zu kippen begann, sollte ich die Bündel mit dem Rechen hinunterdrücken, sodass sie nicht mehr an die Oberfläche trieben, sondern sanken.
»Du hättest das Zeug verbrennen sollen«, sagte ich. »Es ist doch alles Papier.«
»Man kann nirgendwo etwas verbrennen, wenn man in der Stadt wohnt.«
»Ich begreife nicht, warum du das machst«, sagte ich und stieß mit dem Rechen auf das Papier, das ständig wieder an die Oberfläche trieb. Lillemor schluchzte. Ich glaube, vor Wut. Sie nahm mir den Rechen aus der Hand und bearbeitete das Papier nun selbst. Mit einem Schwapp tauchte es ab und kam wieder hoch. Nach und nach schien aber doch das meiste zu verschwinden.
Während sie mit dem Rechen hantierte und mir den Rücken zukehrte, nahm ich einige Blätter aus einem Karton und steckte sie ein. Aus dem letzten hob sie etwas Glänzendes. Ich konnte zuerst nicht sehen, was es war, doch als der Mond zwischen den fliehenden Wolkenfetzen hervorkam, erkannte ich das Hochzeitsgeschenk des Großvaters General. Der erste Kandelaber landete mit einem Platsch weit draußen im Tümpel. Sie hatte mit großer Kraft geworfen.
Ich packte sie am Arm und versuchte sie wegzuziehen. Doch sie befreite sich, holte das zweite Exemplar aus dem Karton und schleuderte es weit hinaus.
»Spinnst du!«, sagte ich.
»Das wäre erledigt«, erwiderte sie nur, sammelte die Kartons ein, steckte sie ineinander und brachte sie zur Hütte.
Lillemor erinnert sich,
wie sie sich alles vom Hals geschafft hat, aber offensichtlich hat Babba nie verstanden, warum. Sie wusste ja nichts von der Gonorrhö, die Rolf ihr beschert hatte und die im Übrigen seit vielen Jahren ausgeheilt war. Dass seine Dissertationsexzerpte zusammen mit den Kandelabern seines Großvaters versenkt wurden, war nur folgerichtig. Obwohl Folgen dauern können. Der kleine griechische Junge musste ins Kinderheim zurück.
Lillemor erinnert sich, dass sie wieder auf Station 57 eingeliefert wurde, doch sie glaubt nicht, dass sie länger als eine Woche dort war. Weil sie ja nicht wie beim vorigen Mal eine Gefahr für sich selbst darstellte, konnte man sie nicht zwingen.
Eines trostlos windigen Februarnachmittags ging sie zu Göran Ceder, einem von Roffes JO-Brüdern, und er begrüßte sie mit: »Schwesterchen! Was verschafft mir die Ehre?«
Sie wünschte, es wäre das letzte Mal, dass sie sich so ein affektiertes Geschwätz anhören musste, aber er war nun mal Direktor der Studentenunterkünfte, und sie musste ihn dazu bringen, ihr zu helfen. Und er half ihr auch, denn schließlich war sie feierlich in den Juvenalorden aufgenommen worden und hatte das Recht, sowohl die Silbereule als auch das Kreuz des Großmeisters zu tragen.
Er war verblüfft. Geschockt, kann man sagen. Denn so hatte in besseren Kreisen eine Scheidung wohl nicht vonstattenzugehen. Einfach abzuhauen. Und nicht mal eine Bleibe zu haben. Ein kalter Hauch von etwas, was über Verwunderung hinausging. An den erinnert sie sich.
Sie landete in einer der Studentenbaracken in der Artillerigatan. Im Zimmer nebenan wohnte ein Naturwissenschaftler, der gerade einen Fasanenhahn konservierte, den er angeblich tot aufgefunden hatte. Wahrscheinlich hatte er ihn aber mittels einer Falle oder dergleichen gefangen, denn er war auf tote Tiere fixiert, füllte ihren geleerten Balg mit Gips und setzte ihnen Glasaugen in den Schädel. Diesmal kam sie in einem frühen Stadium des Konservierungsprozesses in sein Zimmer, der abgezogene Vogelkörper lag noch auf dem Schreibtisch. Eigentlich wollte sie ihn bitten, ihr eine Glühbirne in die Deckenlampe zu drehen, an die sie ohne Leiter nicht herankam.
»Welch ein Mahl man daraus machen könnte!«
Da sagte er, das Tier sei voller Quecksilber und deshalb völlig ungenießbar.
»Konservierst du die mit Quecksilber?«
»Nein, Quatsch, das verleiben sie sich auf den Äckern ein.«
»Auf den Äckern?«
Da kapierte sie, und in ihrem Tischgesellschaftsgedächtnis trippelten die Fasane und Schneehühner von Hellquists Vilt & Fisk vorbei, und sie fragte sich, ob sie schlichtweg giftige Gerichte angeboten hatte. Und wenn. In diesem Augenblick hatte sie sich wohl gewünscht, sie wären alle gestorben. An
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