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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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Pfarre Gudmundrå. Aber Kramfors ist keine schöne Stadt, denn in Schweden herrschte ein Segregationsgeist vor, der ungestört die Schönheit vom Nutzen trennen konnte. Heutzutage ist das Schöne künstlich angelegt und nennt sich Freizeitgebiet. Im Alltagsleben, wo wir auf Busse warten und die Karte in das Codeschloss des Büros stecken, glaubt man, wir brauchten keine anderen Stimulanzien als eingeschweißte Muffins und Automatenkaffee.
    Deshalb haben die Politiker in Kramfors, wie alle anderen Männer, die genug Macht und Kraft besaßen, um das Land nach ihrem Weltbild zu gestalten, ihre grauen Domus-Kaufhäuser, ihr noch graueres Volkshaus und ihre vom Regen gestreiften kiesgrauen Mietshausreihen so nachdrücklich im Straßennetz platziert, dass niemand auch nur an Wald, Felsen oder blaues Wasser denkt, die für den Gemeinsinn ja so gefährlich sind. Immer schon lauern subversive Kräfte dort draußen zwischen bedrohlichen, nicht zu sprengenden Steinblöcken, uralten Bäumen und unter trügerisch spiegelndem Wasser.
    Kramfors hat sein Dasein und den Wohlstand seiner Bewohner darauf gebaut, dass man Berge fast jeder Größe sprengen und in Kies verwandeln kann. Man kann unvorstellbare Waldgebiete abholzen, und man kann Wasser voller Leben zum Kippen bringen, indem man undurchdringlichen Sägewerksabfall auf seinem Grund ausbreitet. Alles ist möglich.
    Geschichte in Kramfors sind die Schüsse von Ådalen und das Blut der jungen Fabrikarbeiterin Eira Söderberg, Sehenswürdigkeiten sind der ausgestopfte Bär an der Brücke in Lunde und Skuleskogen, früher ein gefährlicher Wald, heute aber mit Schildern, Toilettenhäuschen, Papierkörben, Orientierungstafeln und Parkwegen versehen.
    Wie üblich war ich also erzürnt, als ich nach dem missglückten Demonstrationsversuch durch die Stadt lief, um Lillemors Eltern ausfindig zu machen. Die mussten schließlich wissen, wo sie geblieben war.
    Laut Telefonbuch waren sie umgezogen, und das neue Haus lag am Gärdsbacken und war aus einem Material gebaut, das wie Kalkstein wirkte, aber wohl keiner war. Die Front bestand fast ausschließlich aus Fenstern, und die Gardinen waren vom selben Typ Rouleau wie im Hotel Appelberg in Sollefteå. In jedem Fenster standen zwei Lampen mit rosa Schirm und Messingfuß. Vielleicht sollte Lillemor schon bald wieder unter die Haube gebracht werden, denn für einen Hochzeitsempfang besserer Leute eignete sich dieses Haus wahrlich mehr als das vorige. Die Treppe bestand aus dunklem Granit. Kunststoffboote verkauften sich vermutlich wie geschmiert. Selbst mein Vater hatte eines, auf dem TROJS BÅTAR AB stand. Kompagnon Gustafsson schien verschwunden oder gestorben zu sein.
    Als ich den Klingelknopf drückte, ertönte im Haus eine Melodie. Das war damals ziemlich ungewöhnlich, und ich musste noch mal klingeln, um zu hören, was es war, nämlich Ach, du lieber Augustin. Da niemand kam, durfte ich ein weiteres Mal klingeln. Auf dem Rasen lagen leere Sektflaschen und komischerweise eine Posaune und ein schwarzer Herrenstrumpf. Ganz am Ende bei der Hecke war offensichtlich im Frühbeet ein Feuer entzündet worden. Es schien ein ausgelassener Walpurgisabend gewesen zu sein.
    Schließlich öffnete Kurt Troj die Tür, und er hatte sich über Hemd und Hose eine adrette rot karierte Volantschürze umgebunden. Als er sah, dass ich es war, guckte er höchst seltsam drein, wechselte aber sofort zu Herzlichkeit über. Etwas atemlos sagte er, ihm sei klar, dass ich Lillemor suche.
    »Sie ist aber nicht hier. Und ich weiß wirklich nicht, wo sie jetzt ist.«
    Das war vielleicht wahr, wenn man es wörtlich nahm, klang aber nicht sehr überzeugend. Kurt Troj war kein Gewohnheitslügner.
    »Das macht nichts«, erwiderte ich. »Ich möchte bloß ihre Adresse haben.«
    »Oje«, sagte er. »Das ist ja noch schlimmer.«
    Er war auf den Treppenabsatz herausgekommen, stand in schwarzen Lackpantoffeln auf dem feuchten Granit und schloss rasch die Tür hinter sich. Er lehnte sich dagegen, was aber offenbar unbequem war, denn er wechselte die Stellung und sagte: »Seegetränkte Eiche.«
    Ich kam mir vor wie Alice und hätte ebenso gut vor einer Raupe oder einer grinsenden Katze stehen können. Er musste mir angesehen haben, dass ich ihm nicht folgen konnte, denn er legte die Hand auf das hölzerne Türschild und tätschelte es voller Stolz. Er hatte es vorhin zwischen die Schulterblätter bekommen. Doch da kam es für ihn noch schlimmer: Die Tür, gegen die er sich

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