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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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musste dort gewesen sein. Und wahrscheinlich versteckte sie sich bei diesen Waldweibern mit ihrer Enttäuschung über dieses und jenes in einem Leben, das nicht so werden wollte, wie sie sich das gedacht hatte.
    Ich musste in der Lokalredaktion von Västernorrlands Allehanda ganze Zeitungsbände durchblättern, um herauszufinden, wo sich die Waldweiber niedergelassen hatten. Jetzt war ich froh, dass ich mit dem Auto gekommen war. Meinen Eltern wollte ich nicht erzählen, wohin ich fuhr, sondern ließ sie in dem Glauben, ich würde nach Uppsala und in die Buchhandlung zurückkehren. Dort hatte ich aber bereits angerufen und mich krankgemeldet. Meine Erregung war wie ein schwaches und angenehmes Fieber, und es machte mich leichter. Ich hatte das Gefühl, meine Füße wären kleiner geworden, doch ich flog noch nicht. Es kostete mich den ganzen Nachmittag, diesen Hof zu finden, den die Waldweiber besetzt hatten, und als ich hinkam, war er abgerissen.
    Es sah zu erbärmlich aus. So weit oben im Wald und zig Kilometer entfernt von der Offenheit, die der Fluss geschaffen hatte, lag auf den mageren Lehden und verwässerten Ackerparzellen noch Schnee. Der Hof war dem Erdboden gleichgemacht, samt Viehstall und allem. Die Angestellten des Konzerns schienen ihn mit Maschinen demoliert zu haben. Ein Verhau aus halb vermodertem Bauholz, Bretterverschalungen, deren rote Farbe schon längst vor den Angriffen des Winters kapituliert hatte, kaputte Ziegel und zerbrochene, halb verrottete Schindeldächer, das war alles, was noch übrig war. In gewisser Hinsicht war es durchaus ein Segen, denn wie hätten sie mit Kleinkindern hier leben wollen? Wahrscheinlich war das schon in den Fünfzigerjahren nicht mehr möglich gewesen, und damals hatten die Mannsleute auf dem Hof noch Arbeit im Wald oder beim Sägewerk. Aber die Waldweiber wollten ihre Nahrung ja direkt aus Mutter Erdes Brust saugen, und die war so weit oben im Wald versiegt und hatte womöglich noch nie genügend gegeben. Bestimmt saß noch die Lungenschwindsucht in den Holzwänden, und unter den Schichten von Zeitungspapier, womit sie einst tapeziert waren, lauerten unsterbliche Wanzen.
    Als ich im Schneematsch herumstapfte und das Vorjahresgras sich um meine Schuhe verfitzte, kam ich zum alten Kartoffelkeller. Hier Erdäpfelkeller genannt. Den hatten sie nicht eingerissen. Die Steine waren dicht gefügt und nur mit großer Kraft von der Stelle zu rücken. Die Tür stand jedoch offen, und als ich hinging, um einen Blick ins Kellerdunkel zu werfen, stieg mir Dieselgestank in die Nase.
    Sie hatten ihn unbrauchbar gemacht. Den dabei verwendeten Kanister fand ich bei dem Brunnen mit der eisernen Pumpe. Sie hatten den Zementdeckel angehoben und das restliche Dieselöl in den Brunnen gekippt. Auf einer leeren Kraftstofftonne prangte der stolze Name des Konzerns.
    Als ich dort wegfuhr, stellte ich mir die Flucht der Waldweiber vor, mit Kindern, Tüten und Taschen, Kartons und Säcken, und zum ersten Mal empfand ich noch etwas anderes als Belustigung und Mitleid.
    Der erste bewohnte Hof, zu dem ich nach dem abgerissenen Schlupfwinkel der Waldweiber kam, hatte ein großes Schild über dem Gattertor. Vermutlich war es selbst geschmiedet, und es stand ANTES RANCH darauf. Mir gefällt diese Verrücktheit, die Leute dazu bringt, über ihr Dasein mühevoll stolze Worte zu schmieden, genauso wie mir die Holzkästen in Kramfors gefallen haben, bevor die meisten abgerissen wurden. Manche hatten sogar mit Teerpappe gedeckte Türmchen. Sie galten natürlich als Nachahmung von Bürgerlichkeit und belustigten die Architekten mit Parteibuch, die in die Stadt kamen. Doch diese Türmchen, wie auch das Schmiedeeisen, sind etwas anderes: Individualismus, der nicht sein eigenes substanzloses Spiegelbild anstarrt.
    Ante war zu Hause und hatte schwanzwedelnde Hunde um sich herum. Einige bellten scharf, und er tätschelte demonstrativ meinen Arm. Er sagte, so würde er sie davon überzeugen, dass ich freundlich gesinnt sei, und sie hörten tatsächlich auf zu bellen. Bei meinem Anblick sei er erleichtert gewesen, sagte er, denn er dachte schon, der Konkursverwalter käme.
    Als ich fragte, wo die Waldweiber nach der Katastrophe geblieben seien, machte er eine Geste nach hinten und sagte: »Die sind hier bei mir.«
    Sie waren aber nicht bei ihm in dem großen roten Haus mit Glasveranda, sondern in einem Sommerhaus, das zum Hof gehörte und ein Stück entfernt in Richtung Wald lag. Ante war richtig

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