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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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standen wir da und diskutierten hin und her. Mein Vater wollte nicht dorthin gehen. Ich wusste, dass er wütend war, weil man sowohl die Stadt als später auch das Hotel nach einem Holzbaron benannt hatte. Warum hieß die Stadt nicht Brantingsfors und das Hotel Brantingsborg? Das könne man sich natürlich fragen, sagte ich zu ihm, aber die Zeit vergehe. Kein Mensch wüsste mehr, wer Johan Kristoffer Kramm gewesen sei, und sein Sägewerk sei verrottet. Dass ich mich fragte, wie viele wohl wussten, wer Hjalmar Branting gewesen war, sagte ich nicht.
    Ins Hotel gingen schließlich nur meine Mutter und ich. Den Tisch hatte ich in der Weinstube bestellt, womit sie aber nicht zufrieden war, denn sie hörte im großen Speisesaal einen Pianisten La vie en rose spielen. Ich ging zu der Faltwand und schob sie ein bisschen weiter auf, damit er besser zu hören war. Meine Mutter wollte aber in den Saal.
    »Wenn ich schon ein einziges Mal hier bin!«, sagte sie.
    Ich fand es zu blöd, den Oberkellner zu fragen, aber meine Mutter gab nicht nach, marschierte in den Saal und überredete ihn. Er war ein geleckter Typ, doch Sohn einer von Mutters alten Schulkameradinnen, und ich hörte sie mit dieser Stimme, mit der sie früher im Café, wenn es Krach gab, die Ordnung wiederherstellte, sagen: »Hör mal, Sture!« Und so endete das Ganze damit, dass er unmittelbar vor die Bühne einen kleinen Tisch zwängte. Nun war meine Mutter zufrieden.
    Als der Pianist Feierabend hatte und die Tanzcombo gerade ihre Instrumente auf die Bühne schleppte, bekamen wir unser Entrecote mit Sauce béarnaise und Pommes frites. In der Weinstube hätte es 13,75 Kronen gekostet, hier durften wir 18,50 bezahlen. Meine Mutter wollte auch noch einen Schnaps haben, Schwarzen Johannisbeerschnaps. Sie war von dem Pilsner schon angeheitert.
    Es wurde voll in dem Lokal. Zehn Studienzirkel, die sich Västernorrlandsfärsen nannten, hatten zu ihrem Abschluss eine Menge Tische bestellt, was jene Kramforser wütend machte, deren Freunde dadurch draußen bleiben mussten. Man ahnte schon, dass es die Hiebe, die in der Luft lagen, setzen würde, sobald die Västernorrlandsfärsen abzogen und in die kühle Frühlingsnacht hinaustraten. Doch das dauerte noch, denn im Moment schwoften die Färsen mit Leib und Seele und hatten kaum Zeit, ihr Schweinefilet mit Champignonsauce zu vertilgen.
    Auch meine Mutter tanzte, denn es waren mehrere ihrer Bekannten da, und in dem geblümten Crimplenekleid, das sie sich zu Vaters Siebzigstem gekauft hatte, war sie auf ihre Weise schön. Als der Kellner kam und fragte, ob wir Kaffee trinken wollten, rief ich meine Mutter, die gerade vorbeitanzte, bekam aber keine Antwort.
    »Sie hört nichts«, sagte der Kellner. »Sie tanzt und ist glücklich.«
    Ich bestellte uns Kaffee. Und ich war ehrlich froh, dass mein Vater nicht dabei war, denn er hätte bloß gemault: über die Preise, die Västernorrlandsfärsen, die Koteletten, die nach vorn gekämmten Haare, die Anzughosen mit Schlag. Meine Mutter wunderte sich über die Hosen, die so stramm saßen, dass sich der Pimmel abzeichnete, selbst beim Rektor der Schule.
    Ein bisschen ängstlich und reumütig wurde sie, als die Rechnung kam, zumal sie ja keine Ahnung hatte, dass ich ein Bankfach mit Geld besaß, sogar ziemlich viel. Mir reichte das Krimigeld noch, doch mir schwante, dass Lillemor alles ausgegeben hatte. Ihre Scheidung war eine teure Angelegenheit gewesen. Wer Tisch und Bett verlässt, muss sich alles neu beschaffen: Wohnung, Auto und Fernseher. Meine Mutter war jedenfalls zufrieden, und als wir in den hellhörigen Holzkasten in Babelsberg zurückkehrten, bekam ich mit, dass mein Vater wach wurde und sie anfing, ihm alles zu erzählen, einschließlich der Koteletten des Rektors und des Gedränges in seiner Hose. Ich glaube, da hat er gelacht, wenn es auch nicht zu hören war.
    Am nächsten Tag war der erste Mai, und meine Eltern wollten demonstrieren gehen, wie sie es immer getan hatten. Wofür oder wogegen, weiß ich nicht recht. Als ihr Spross sollte ich natürlich mitkommen. Und das habe ich gemacht, seit ich mit meiner Mutter einen Kampf darum geführt hatte, an diesem Tag Kniestrümpfe anzuziehen, egal, wie kalt es war. Wir kamen spät los, denn sie sah, dass es geregnet hatte und sie sich die Schuhe ruinieren würde. Bis sie endlich ihre Überschuhe gefunden hatte, verging viel Zeit, und dann hätte sie eigentlich kleinere Schuhe anziehen müssen, um den Gummi der Galoschen

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