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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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gelehnt hatte, wurde aufgerissen, und Astrid Troj zeigte sich und schrie (ungelogen): »Wer ist da?«
    Als sie mich sah, sagte sie: »Falls Sie Lillemor suchen, kann ich Ihnen nur sagen, dass Sie hier nichts verloren haben.«
    Kurt Troj wollte etwas sagen, schluckte es aber hinunter, als sie ihm einen Basiliskenblick zuwarf. Sie trug einen rot und schwarz gestreiften seidenen Morgenrock über absolut nichts und stank aus dem Mund wie Aas. Dieses Gesicht mit den grauen Hautsäcken und rot unterlaufenen Augen war offenbar der Spiegel ihrer Seele, ihr Atem deren Kleid. Hier herrschte ein Mordskater, und Kurt Troj war gerade mit dem Abwasch nach dem Zechgelage zugange gewesen. Jetzt hüpfte er auf dem Rasen herum, der nach der Schneeschmelze nach Buttersäure roch, und sammelte Raketenstöckchen auf. Astrid ging ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu.
    Er kam mit ein paar Stöckchen in der Hand zu mir zurück und sagte kleinlaut: »Ich kann Ihnen leider nicht helfen, Lillemor zu finden.«
    Da dämmerte mir, wie die Dinge lagen. Weil er gewohnt war zu gehorchen, wenn seine Frau ihn scharf ansah, machte ich es nun genauso, ziemlich nachdrücklich.
    »Will sie nicht, dass ich ihre Adresse bekomme?«
    Er nickte und nickte, als wäre der Mechanismus seines Atlas beschädigt, dann schob er die Tür hinter sich auf und huschte weiterhin lächelnd und mir zugewandt ins Haus.
    Als ich zehn, vielleicht elf Jahre alt war, lernte ich ein Mädchen kennen, das mit ihrer Familie in die Bruchbude nebenan gezogen war. Sie hatte eine lila Samtmütze mit einer langen Seidentroddel, und sie besaß Viktor Rydbergs Mittelalterroman Singoalla . Ich kümmerte mich damals nicht viel um Autoren, denn ich begriff ihre Rolle beim Zustandekommen eines Buches nicht. Bücher waren Welten. Die gab es eben. Dagegen wusste ich, wie Kinder zustande kamen.
    Hier waren nun Singoalla und dieses Mädchen, das älter war als ich und das Buch mehrmals gelesen hatte. Sie hatte es mit der Seele aufgesogen und war von dessen dunklem Verlangen erfüllt, das dem Ansturm der Hormone in ihrem Körper sicherlich entgegenkam. Ich, mindestens fünf Jahr jünger, hatte von dergleichen keine Ahnung. Dass mich sexuelles Begehren ebenso wie Brüste und Achselhaare heimsuchen sollten, war mir fern. Was mich anzog, als sie mir Singoalla lieh, waren die Hexereien. Ich liebte es, über die Mutter des schwarzen Assim zu lesen, die mit zahnlosem Schlund grinste. Ich wünschte, da hätte mehr über die Opferpriester unter seinen Vorfahren und ihre blutigen Riten gestanden. Den Defiziten des Romans half ich mit Hinzudichtungen auf, und schwindelig von Phantasien über Opfermessen und das Sabbern und Gebrüll der Wölfe, als sie Erlands Hunde auffraßen, stiefelte ich in Kramfors umher.
    Ich bewunderte Naemi dafür, dass sie das Buch besaß, aber der einzige Punkt, in dem wir uns trafen, war im Grunde das Dunkle, von dem Singoalla einiges zu bieten hat. Ich mochte Passagen wie »Die Dunkelheit hatte alles in einen undurchdringlichen Schleier gehüllt.« Messer konnten aufblitzen, wenn »der Himmel von schwarzen Wolken verhüllt war, welche die Dunkelheit verdichteten«. Sie hatte einen anderen Geschmack und las mit einem leichten Beben in der Stimme: »Da so die Blicke sich vereinen, schmachtet auch Mund zu Mund, und schon begegnen die Lippen sich in langen Küssen, die zugleich wärmen und kühlen – ein scheues Verlangen zugleich stillen und entfachen.« Die ersten beiden Sätze kann ich herleiern, den dritten musste ich erst heraussuchen, als ich das hier schrieb. Naemi kann ihn aber vielleicht immer noch aufsagen.
    Schließlich musste sie gemerkt haben, dass uns nicht die gleiche Art von Dunkel erregte, und außerdem las sie nun ein albernes Buch, das Kleine Frauen hieß. Naemi war jetzt oft erkältet, wenn ich bei ihnen klopfte. Sie hatte später Schulschluss als ich, und ich wusste genau, wann sie zu Hause sein würde. Aber am einen Tag sollte sie ihrer Mutter helfen, und am nächsten hatte sie so viele Hausaufgaben, dass sie nicht herauskommen konnte. Ich gab nicht auf. Erst als ich auf dem Zement vor der Tür nasse Fahrradspuren sah. Sie führten zu einem Verschlag, in dem sie, wie ich wusste, ihre Räder verwahrten.
    »Sie ist nicht zu Hause«, sagte Naemis Mutter.
    Aber ich war nicht dumm.
    Seitdem hatte ich nie mehr Freundinnen gehabt. Die nasse Fahrradspur führt über den Zement in mein Herz.
    Mit Lillemor war das ganz anders. Das Band zwischen uns ist und war

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