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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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anspringen wollte. Die Batterie war schon alt, und ich war wohl in letzter Zeit nur kurze Strecken gefahren. Er kam an, stellte sich hin und sah eine Weile zu, dann hob er die Hand zum Zeichen, dass ich Ruhe bewahren solle, und holte aus seinem Kofferraum Startkabel. Diese Geste, die er da gemacht hatte, gefiel mir. Sie zeigte, dass er die Dinge, wie etwa Autos, beherrschte. Solche Typen sind oft gute Liebhaber.
    Er fuhr hinter mir her zu mir nach Hause und bekam dort Bier und belegte Knäckebrote. Als Belag hatte ich bloß rohe Fleischwurstscheiben anzubieten, doch stellte sich heraus, dass er das mochte. Wir hatten denselben Film gesehen und folglich kein Problem, uns zu unterhalten. Er war Fahrlehrer, und später, als wir uns nähergekommen waren, erzählte er, dass er vom vielen Sitzen an Hämorrhoiden leide und gern eine andere Arbeit hätte. Mir ging es ja genauso, nur dass mich das Gerenne zwischen Lager und Laden vor Himmelsfreuden bewahrt hatte. (So nannte er das in seinem Musikerjargon.) An etlichen Abenden und an allen Wochenenden spielte er in einer Band Schlagzeug, wodurch er freilich nur noch mehr saß. In seiner Eigenschaft als Musiker hatte er Stoppelhaare und ein Spitzbärtchen. Beim Spielen trug er hellbraune Gabardinehosen, schmale rote Hosenträger über einem Nylonhemd, an den Füßen lila Strümpfe und elegante, extrem spitze Pikes. Mit der Hand über seinen gestutzten Schädel zu streichen fühlte sich dicht und filzig an.
    In der nächsten Zeit begleitete ich ihn oft und hörte zu. Die Band hatte einen Pianisten, der zwar leider ziemlich versoffen war, aber der geborene Musiker, sonst nichts. Sein Gesicht war von der Stubenhockerei leichenblass und voller Quaddeln und Pickel. Ich glaube nicht, dass er wusste, wer General Westmoreland war oder wo Vietnam lag. Er war nicht auf Erden, um Quizfragen zu beantworten oder die Welt zu verändern, sondern um zu spielen. Zwischen die Tanznummern schmuggelte er meist recht avancierten Jazz, und einmal war es Erroll Garners Misty.
    Ich verliere im Allgemeinen nicht so leicht den Halt, aber nach diesem Stück wurde mir klar, dass ich im Moment notgedrungen ein verdammt normales Leben führte, und ich schrie vor Überdruss. Ich schrie wirklich: trabte zum Sten-Sture-Monument hinauf und schrie los. Lillemor antwortete nicht auf meine Briefe. Ich weiß nicht, ob ich ihr egal war oder ob sie keinen Nachsendeantrag gestellt hatte.
    Im Winter ging es ja noch. Da ist es normal, wenn man alles überhat. Als aber der Frühling kam und die Erde mit einer großen Lichtglocke umgab, als es irgendwann nach nasser Erde roch und ich statt Dohlengeschrei Kohlmeisengezwitscher hörte, war es kaum auszuhalten.
    Zu Walpurgis und zum ersten Mai fuhr ich immer nach Kramfors heim. Ich hasste es, wenn die Studenten Uppsala übernahmen und sich aufführten, als ob wir noch immer im 17. Jahrhundert lebten und sie das Privileg besäßen, hemmungslos zu saufen und Bürger zu drangsalieren. Als Studienanfängerin stiefelte ich im Zug der Studentenvereinigung mit zur Gunillaglocke hinauf, die an diesem Frühlingsabend läuten sollte, während in der Ebene Feuer entzündet wurden. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich das feierlich fand. Halb auf dem Hang wurde ich von einem Polizisten angehalten und zurückgewiesen. Ich sei keine Studentin, sagte er. Ich war aber eine, sogar eine mit besseren Noten als die meisten dieser halb abgefüllten Idioten um mich herum. Allerdings trug ich keine Studentenmütze. In meinen Augen war eine weiße Mütze mit Schirm ein ungeheuer lächerliches Kleidungsstück, außer für das Verkaufspersonal einer Metzgerei. Also stiefelte ich wieder hinunter und ging am nächsten Vormittag zum Vaksala Torg, wo sich der Demonstrationszug der Sozialdemokraten sammelte. Ich reihte mich ein und fühlte mich gut, obwohl ich eigentlich noch nie sonderlich politisch war. Seit dieser Zeit fahre ich an Walpurgis immer nach Hause.
    Diesmal musste ich drei Tage Urlaub nehmen, weil sowohl Walpurgis als auch der erste Mai auf gewöhnliche Werktage fielen. Mein Vater wollte sich wie üblich das kommunale Feuer anschauen, das in diesem Jahr von einem alten Tretschlitten gekrönt wurde, wie immer man den dort hinaufgebracht hatte. Als der Männerchor sang, wollte meine Mutter ein heißes Würstchen haben, aber ich wehrte ab, denn ich hatte eine Überraschung für die beiden: Ich hatte im Hotel Kramm einen Tisch bestellt. Während der Chor Zum Wald ein kleiner Vogel flog sang,

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