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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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rauchte. Eine Zigarette wäre ein Trost und eine Gegenwehr gewesen. Sie hatte ihren Kaffee ausgetrunken und saß nur noch herum, während die Minuten ihrer ärmlichen Freistunde verrannen. Heute nimmt sie an, dass sie versucht hat, sich zu rechtfertigen: Ich arbeite, wenn auch vielleicht nicht so zäh und nicht mit Leib und Seele. Aber ich arbeite, und ich helfe, die Grenze aufrechtzuerhalten. Ich führe ein normales Leben.
    Sollte sie das getan haben, so waren dies dessen letzte sonnige Minuten. Denn wie sie da an dem Steintisch saß, tauchte aus dem Gebüsch bei den Mülltonnen eine Gestalt auf. Oder aus einer Tonne? Sie hatte sie erst in diesem Moment entdeckt, kein Auto gehört und absolut nicht an dieses Individuum gedacht. Trotzdem war es, als hätte sie es herbeigestarrt.
    Es war diese Person.

Anhängerkupplung Herbstregen
    Am Abend ging ich den Bestand eines Geräteschuppens hinter dem Schülerinnenheim durch. Ich probierte verschiedene Schlagwaffen aus und entschied mich für eine Schneeschaufel. Als ich mich neben das Gebüsch auf Wache stellte, sah ich Lillemors ängstliches Gesicht zwischen den Gardinen.
    Der Abend dämmerte, und genau wie sie gesagt hatte, kam eine Schar junger Frauen in Strickjacken und rosaroten und hellblauen Pullis heraus. Sie trugen Holzschuhe und hatten die Haare toupiert. Vorsichtig schlich eine von ihnen auf die Büsche zu, und ich duckte mich, um nicht gesehen zu werden. Sie legte etwas ins Gras und sprang dann erheblich weniger vorsichtig zu den anderen zurück. Danach standen sie alle auf den Zementplatten der Terrasse und schauten erwartungsvoll auf den Köder.
    Die Ratte kam, alt, schlau, vorsichtig. Schnupperte. Setzte sich in Bewegung, den schweren Steiß und den nackten Schwanz hinter sich herschleppend. Ihr Kopf war kahl. Sie hielt inne und schnupperte wieder, doch ich stand so, dass der kühle Abendwind genau in meine Richtung stand.
    Sie naschte jetzt ihre letzte Mahlzeit. Als sie den Rückzug antrat, hieb ich zu. Sie war platt. Drüben beim Haus kreischten ihre Wohltäterinnen wie Möwen über einer kommunalen Müllhalde. Lillemors blasses Gesicht am Fenster verschwand.
    Als ich am Nachmittag gekommen war, hatte sie an einem Steintisch gesessen und diesen mattgrünen Cordanzug getragen, der mir so gut gefiel. Sie hatte beide Arme auf den Tisch gelegt und die Hände gefaltet. Zuerst bemerkte sie mich gar nicht, und ihre Augen hatten etwas Starres. Sie wirkte blicklos. Womöglich schlief sie mit offenen Augen? Am schlimmsten aber waren ihre dunkelroten Haare.
    Es fiel ihr mittlerweile schwer, Kritiken zu schreiben, weil ihr die Autorinnen und Autoren leidtaten, die ihren Ambitionen oder zumindest ihren Träumen nicht gerecht wurden. Und das sind die meisten, sagte sie. Als die Herbstbücher erschienen, hätte sie am liebsten abgelehnt, aber das konnte sie sich nicht leisten, da sie an der Volkshochschule nur eine halbe Stelle hatte.
    »Du kannst doch aufhören zu rezensieren«, sagte ich. »Was mich angeht, so siebe ich genau aus, weil ich nur gute Sachen lesen will, und lieber lese ich Altes noch mal, als dass ich durch eine Flut neuer und mediokrer Bücher wate. Wir leben in einem kleinen grauen Land, und hier werden viele kleine graue Bücher geschrieben. Manchmal aber tut sich was. Denk nur an den Herbst, als Das große Vergessen erschien! Und bei Die Heimkehr des Odysseus jubilierte die ganze Welt!«
    Lillemor nannte mich überheblich und verächtlich. Ich fragte sie, was ich denn ohne meinen Hochmut geschrieben hätte. Darauf gab sie keine Antwort.
    »Und wer wärst du ? Willst du wirklich ohne auskommen?«
    »Du hörst doch selbst, wen du da rühmst«, sagte sie. »Lars Ahlin und Eyvind Johnson. Das ist die Welt der Männer, und es ist ihr Krieg. Als Verner von Heidenstam und August Strindberg in der Schweiz saßen und sich darauf verständigten, die Bannerträger der jungen Literatur zu werden, waren sie nicht anders als seinerzeit die Phosphoristen. Ich möchte nicht hinnehmen, dass die Literatur ein Kriegszug mit Heerführern ist. Das ist die Welt der Männer. Die ist zu hart. Und außerdem lächerlich.«
    Ich erinnerte sie daran, wie wir bei Landings saßen und sie meinen Füller als Phallus bezeichnet hatte.
    »Damals warst du beherzter. Was ist passiert? Hast du eine Ablehnung bekommen?«
    Sie senkte den Blick. Das war offensichtlich eine kitzlige Angelegenheit. Jesses! Sie hatte es ohne mich versucht.
    Ich ließ mir meine Entdeckung nicht anmerken,

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