Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
Erbsen, petit pois , zu erstehen. In der Markthalle in Uppsala konnte man früher ein Kalbskotelett kaufen, das nicht mal eine Studentin in die Pleite trieb. Aber Kälber in Boxen zu halten und sie zu hellem Fleisch heranzumästen war sicherlich Tierquälerei. Heute ist die Tierquälerei großartiger, und ihre Produkte sind exklusiv.
Trotzig hat sie beschlossen, sich auch noch eine Tüte Schleckerkram zu gönnen. Warum nicht? Sie hat noch nie stärkere Rauschmittel gebraucht als Schaumbananen und Lakritzschiffchen.
Erst als sie nach Hause kommt, fällt ihr die Schlafpuppe in dem Schaufenster wieder ein. Ich war die Puppe, erkennt sie. Mich durften sie mit Nadeln stechen. Sicherlich trafen die Stiche auch Babba. Aber nicht im eigenen Fleisch. Sie trafen die Puppenhaut und die Nerven darunter.
Da bleibt sie am Küchentisch sitzen und isst aus der Tüte mechanisch Schaumbananen, Geleehimbeeren, Lakritzschiffchen, Schokotropfen und diese herrlich zähen Dinger, die wie Spiegeleier aussehen. Als die Tüte leer ist, bereut sie es.
Unsinn Kuckucksspeichel Rhabarberblätter
Ende März kam sie zu mir zurück. Eigentlich hätte ich mir das ausrechnen können. Am Pult zu stehen und angehenden Zahnarzthelferinnen und Polizisten die Subjektregel und anderes, was sie für wichtig hielt, beizubringen, war anfangs eine Art Performance gewesen, und die liebte sie. Es wurde jedoch Alltag daraus, und es kamen frostige Vorfrühlingsmorgen, an denen sie mit Fingerhandschuhen und diesem kleinen, frisch gebügelten Kopftuch ums Haar, das immer hellroter wurde, im Laufschritt zum Schulgebäude eilte. Sie entdeckte, dass ein angehender Polizist Analphabet war, doch im Kollegium wollte es ihr partout niemand glauben, weil es das in Schweden nicht gebe. Sogar Sune war misstrauisch. Der Kerl, der weder lesen noch schreiben konnte, war nicht dumm und verbarg es geschickt. Er kam an mit: Brille vergessen und bitte, lies mir das mal vor und dergleichen. Er lieferte nie etwas Schriftliches ab, außer im äußersten Notfall, aber dann bat er einen Kollegen, es auf der Maschine ins Reine zu schreiben, weil er, wie er sagte, so eine schlechte Handschrift habe, und er las von einem Blatt mit Hieroglyphen ab, die keiner sehen durfte.
Klar, dass sie es leid wurde. In der Schule wurden die revolutionären Stürme immer heftiger. Die Schülerinnen und Schüler forderten die Abschaffung der Lehrbücher. Sie wollten Kompendien haben, die sie selbst zusammenstellten, und in Vollversammlungen über den Unterricht und den Speiseplan abstimmen. Das waren keine Zeiten für Lillemor und ihre Soloauftritte.
Daher kam sie zu mir zurück, stand eines Nachmittags in der Tür, und ihre Stimme war piepsig, aber trotzdem irgendwie beherzt: »Verzeih mir bitte, was ich gesagt habe.«
Ich wusste nicht, was sie meinte, denn eigentlich war ja wohl nur ich gehässig gewesen. Von ihrer Seite habe ich nur noch in Erinnerung, dass sie geschrien hatte: »Sitz wenigstens nicht da und saug an den Zähnen.« Und schließlich: »Es nützt dir nichts zu wissen, was Aluminiumchlorid ist, wenn du es nicht benutzt.« (Ihr Deodorant war rosarot und hieß Mum.)
Das Heimatstück war abgesetzt worden. Die Kommune wollte die Gelder, die sie in Aussicht gestellt hatte, nicht ausbezahlen.
»Nachdem sie das Stück gelesen haben?«, fragte ich, und sie nickte und sagte, es sei alles Politik, was ich allerdings nicht glauben wollte.
»Ich glaube ja, dass es auf der Welt bei vielem um Macht geht«, erwiderte ich. »Freud behauptete, es gehe um Sexualität. War es nicht einer seiner Konkurrenten, der auf die Machtgier aufmerksam gemacht hat?«
Ich hielt mich ein bisschen zurück und ließ sie eine Weile dozieren. Sie war augenscheinlich enttäuscht, dass das Heimatstück in die Binsen gegangen war, und ihr Gemütszustand musste dem ähneln, in den die Ablehnung des Verlags sie versetzt hatte. Die Motive hinter einer gegen sie gerichteten Kritik hat sie noch nie erkennen können. Es reicht, dass es eine schlechte Kritik ist. Die bringt sie ins Wanken: Sie ist nicht gut genug. Sie ist miserabel, mi-se-ra-bel, und muss sich ändern.
»Ich glaube, wir können aus deinem Stück noch was machen«, sagte ich. »Zumindest aus der Grundidee.«
In Wirklichkeit war meine Idee von ihrer meilenweit entfernt, und ich war nicht erst darauf gekommen, als ich dieses schmissige Heimatstück las. Aber ich musste diese Gelegenheit jetzt wahrnehmen, denn ich begriff, dass sie mit Sune keine weitere Nacht
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