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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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der Wahrheit gehabt hatte. Und mir wurde auch klar, warum.
    Lillemor hatte ja Sune Bengtsson und seine Wahrheitsliebe geheiratet. Das verstand sie unter einem richtigen Leben. Und sie bekam einen Stiefsohn von fünfzehn Jahren. Sune war psychisch stabil und im Besitz guter Bauerngene, sodass ihm Söhne hätten beschert werden müssen, aus denen Landwirte oder Lehrer wurden. Stattdessen hatte er nun diesen Unglückswurm bekommen, den Lillemor bewusstlos und mit einem nach Lösungsmittel riechenden Stofffetzen vor dem Mund gefunden und ins Krankenhaus nach Härnösand gebracht hatte. Da ihm weiter nichts fehlte, durften sie wieder nach Hause fahren. Aber schon nach wenigen Tagen war klar, dass die ganze Schule wusste, was passiert war.
    »Wenn ich auch nicht begreife, woher«, sagte sie, als sie mir jetzt alles erzählte.
    »Es ist kaum möglich, in einem Internat etwas unter dem Deckel zu halten«, erwiderte ich.
    »Du scheinst es auch schon zu wissen«, sagte sie.
    »Ich trinke schließlich immer mit Doris Kaffee, wenn ich in der Schule bin. Du weißt, ich kenne sie aus Kramfors. Wir sind zusammen konfirmiert worden.«
    Sie war Bürokraft im Sekretariat der Schule und betrieb an ihrem Kaffeetisch einen Nachrichtendienst. Ich berichtete Lillemor, dass Doris mir erzählt hatte, der Sohn des Rektors habe schon vor langer Zeit Geschmack an einem Leim namens Elefantenkleber gefunden. Als sie dahintergekommen sei, warum der immer verschwand, habe Sune erklärt, Tomas klebe damit seine ausgeschnittenen Autos auf, und im Lager gebe es genug davon. Es sei also kein Problem.
    Lillemor sollte sich schon vor ihrer Heirat um den Bengel kümmern, wenn Sune hin und wieder nach Stockholm fuhr, wo er sich bei SIDA, dem Amt für internationale Entwicklungszusammenarbeit, mit der Ausbildung von Afrikanern beschäftigte. Der Junge schloss sich den wenigen nichtpolitischen Elementen der Schule an, die Bewährung hatten oder zum Entzug in der Psychiatrie gewesen waren und rehabilitiert werden sollten. Die fanden es klasse, wenn der Sohn des Rektors die Augen verdrehte, und benutzten ihn als Maskottchen, ungefähr so wie die Mädchen seinerzeit die kahlköpfige Ratte. Dass mit ihm etwas nicht stimmte, mussten sie begriffen haben. Sie nannten ihn Tompa und brachten ihm bei, aus einer Plastiktüte Kleber zu schnüffeln und aus einem Lappen stärkere Sachen. In der Wohnung des Rektors befanden sich Schlüssel für das Lager des Hausmeisters und den Medizinschrank im Sekretariat, was die Schule zu einem Schlaraffenland machte, in dem er ihnen auch Ersatz für Hasch und Amphetamine beschaffen konnte, wenn der Nachschub ausblieb. Sune gelang es, den Sozialdienst davon zu überzeugen, dass die schlimmsten Junkies die Schule verlassen und woanders rehabilitiert werden müssten.
    »Komisch, dass ich das nicht gewusst habe«, sagte Lillemor.
    »Hat Sune in eurer Nacht der Wahrheit nichts davon erzählt?«, fragte ich.
    »War das denn schon zu der Zeit?«
    »Ja sicher, das hat sich das ganze Herbstsemester hingezogen, und bestimmt weißt du, dass die Früchtchen, die euch der Sozialdienst auf den Hals geschickt hat, vor Weihnachten den Laufpass bekommen haben.«
    Sie wurde nun sehr nachdenklich. Das Monument Sune Wahrheit geriet ins Wanken.
    Ich schwieg wohlweislich. Glaubte aber nicht, dass es neue Nächte der Wahrheit geben würde, weshalb ich zu sagen wagte: »Ich komme ohne dich nicht weiter.«
    »Was hast du geschrieben?«
    »Hier sind die drei Spiralblocks dieses Winters«, sagte ich.
    Ich reichte sie ihr, und sie las still. Da stand zum Beispiel (ich habe noch alles):
    jetzt lassen wir dies nur einstürzen ein perlenbesetztes Sparkassengebäude niemand achtet mehr auf sein Kästchen als ich ein Splitter ein Splitter wir sehen die Welt durch einen fein gegitterten Splitter und ziehen unsere Schlüsse aus solchen Wörtern ist alles Blutmark gesogen von einem gierigen Stadtdiener weißt du was: besuche uns in Mariefred wir haben etwas Ungewöhnliches einen kleinen Schatz in einem Raum aus Rosenholz, du sollst ihn sehen ja ich verspreche nur ein Ton ein Ton es ist wohl ein japanischer Klingelkringel und Pollen stieben um seine braune Mütze
    »Was ist das?«, fragte sie, und als ich nicht antwortete, blätterte sie weiter, aber es wurde nicht anders:
    Aus Angst etwas Neues zu erfahren stopfe ich Hummeln in die Ohren Gott ist hier in einer Eichel, die Spitze die Mütze wurde über die Eichel gesenkt als Gott predigt er ist stark er isst Gusseisen

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