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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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reinliche Kredenz und wirbelnde Lumpen wenn wir auf der Ilias spielen
    Nachdem sie eine Weile gelesen hatte, sah sie hoch und fragte: »Warum?«
    Ich schüttelte nur den Kopf.
    »Hat das was mit deiner Kindheit zu tun?«
    Sie las Dinge wie »Die Hecke ist ein großer Surma darin knispern die Marienkäfer nun kommt der blinde alte Mann pass auf du kleiner Einörepimmel.«
    Nun schien sie sich auf festerem Grund zu befinden, denn sie sagte: »Sie hat vielleicht deine Sprache geformt?«
    »Wer?«
    »Deine Kindheit.«
    Und dann las sie weiter: »Das Holz ist aufgelöst es schrumpft und aus den Steinsplittern ragen Blattöhrchen auf.«
    Ihre Miene war jetzt sehr sachlich, als sie sagte: »Das meiste hier besitzt ja ein starkes existenzielles Gefühl. Alles scheint dennoch aus deiner eigenen Erfahrung zu stammen, oder? Man kann es nicht als Metaphern bezeichnen, trotzdem ist in gewissem Sinn alles metaphorisch.«
    denk nicht schlecht von uns ein letztes Mal ziehen wir fort von diesem Innersten wir ziehen dessen Schrammen zwischen unsere gespreizten Netzhäute es ist Laub das glimmt und sich wendet spröd und kleingedruckt wir wissen vom Adernetz dass es platzen kann es wird welker und gespannter ein starrer Ton Streifen feuchte Weinträume das Glas und Spalt
    Als sie im nächsten Spiralblock blätterte und im übernächsten und immer noch keine andere Art Text kam, sammelte sie sich und fragte: »Ist dir bei deinem Schreiben der sprachliche Rhythmus wichtig?«
    So schnell konnte ich gar nicht antworten, wie sie fortfuhr: »Ist das im Grunde nicht Konstruktivismus? Ich meine, Wirklichkeit ist darin ja vorhanden, aber dich interessierst nur, wie sie wahrgenommen wird. Oder? Und es gibt darin wohl auch eine metaphysische Ebene? Davon hast du dir bisher nie etwas anmerken lassen. Du bist doch Epikerin und Realistin, das war bisher jedenfalls immer mein Eindruck.«
    Schließlich schien es, als hätten die drei Spiralblocks ihrem Ausdrucksvermögen den Garaus gemacht. Sie saß da und starrte die Küchenwand an, wo eine große hölzerne Uhr mit gusseisernen Fichtenzapfen als Gewichten und einem geschnitzten Adler mit ausgebreiteten Schwingen hing. Außerdem war da noch ein weihnachtlicher Wandbehang, den wir vergessen hatten abzunehmen. Antes Großmutter hatte ihn genäht, und er stellte zwei Weihnachtsmänner dar, die aussahen, als hätten sie Skoliose. Sie knieten vor einer Breischüssel und rührten darin. Neben den Weihnachtsmännern hing der Kalender einer Traktorfirma mit einer vollbusigen Lady in einem Badeanzug aus Silberlamé. Lillemor starrte die Wand und deren Zier an, womöglich ohne etwas zu sehen. Sie war schlicht aus dem Konzept geraten.
    Kapierte sie nicht, dass ich drei Spiralblocks Seite um Seite mit Galimathias gefüllt hatte, nur um sie glauben zu machen, dass ich ohne sie nur eine rechte Gehirnhälfte ohne Lenkung war?
    War ich das denn?
    Da sagte ich leise, dass ich gern wieder Epikerin und Realistin würde, sie mir aber dabei helfen müsse.
    Sie wandte den Blick von den buckligen Weihnachtsmännern ab. »Was für eine Idee ist dir denn gekommen? Bei meinem Heimatstück.«
    »Das Sägewerk«, sagte ich. »Die Streiks und all das. Alles ab den Achtzigerjahren, als sie ernsthaft darangingen, die Wälder abzuholzen und zu exportieren. Der Fluss und was er mit sich trug. Hast du von dem Mann gehört, der im Frühjahrshochwasser einen eisernen Herd antreiben sah? Oder von dem Kind, das auf einem Tisch steht, einen Dreispitz aufhat und eine selbst genähte blaue Uniform mit gelber Hose und hohen, viel zu großen Schmierlederstiefeln trägt? Sie, denn es ist ein Mädchen, ruft: ›Er, Karl, der Held und König, stand selbst in Rauch und Staub.‹ Und der Hunger der Kinder. Flechten. Zahnschmerzen. Würmer im Hintern. Alles, was sie geglaubt, und alles, was sie nicht begriffen haben. Das Große um sie herum.«
    »Ich verstehe nicht ganz«, sagte sie. »Entfernst du dich jetzt nicht vom Sägewerk und den Streiks?«
    »Ganz und gar nicht. Ich spreche von den Kindern. Wir werden über die Kinder schreiben. Über diejenigen, die von Politik und Kampf und Gerechtigkeit nichts wissen. Die Kinder sind die kleinen Krebsscheren, sie leben ganz nahe am Schlammboden der Gesellschaft und wissen alles über sie.«
    »Und der eiserne Herd?«, sagte sie. »Der scheint eher dahin zu gehören.«
    Sie zeigte auf die Spiralblocks.
    »Aber nein. Das ist Realismus, wenn der im Fluss antreibt. In Wirklichkeit war er aus schwarz

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