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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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Lächeln. Jedenfalls waren seine Zähne ein klein wenig zu sehen. Das Personal hatte eine Kerze angezündet und einen Gedichtband offen auf den Nachttisch gelegt. Das Gedicht, das sie aufgeschlagen hatten, war Bo Setterlinds So dacht ’ ich mir den Tod .
    Mutter fasste eine Pflegerin am Arm und flüsterte: »Wie aufmerksam. Wie bezaubernd.«
    Da verließ Lillemor den Raum, und jetzt, so lange Zeit danach, wird ihr klar, dass dies vielleicht ihre einzige Protesthandlung war. Überhaupt jemals. Sie verließ das Krankenhaus durch lange und stickige unterirdische Gänge. Die Beine wollten ihr schwach werden, und ständig dachte sie an das Gedicht über den Tod, der mit großer Zärtlichkeit Lebewesen in seinen Korb aufliest. Festen Schritts ging sie über die Betonböden, und ihre Absätze schmetterten: falsch, falsch, falsch. Dieses Gedicht war nichts als eine zuckersüße Lüge, denn der Tod liest auf, um zu quälen, um Flügel und Beine auszureißen, um zu peinigen und hungern zu lassen.
    Nun sitzt sie mit dem Manuskript am Küchentisch und versucht gegen das, was sie zu lesen bekommen wird, anzukämpfen: mit seinem scheuen Lächeln gegen die Sarkasmen, mit seinen Händen um ihren Kopf und den leise geflüsterten Worten gegen das Geschriebene, das so machtvollkommen ist und so leicht über ein Flüstern siegt.

Tod Tod Tod
    Kurt Troj starb. Das tun ja alle mal, aber kaum mit so viel Dramatik wie er. Klytämnestra brachte seinerzeit Agamemnon schon im ersten Akt um die Ecke. Kurt Trojs Verbrechen war genauso unverzeihlich (Astrid Troj war man nämlich nicht folgenlos untreu), doch sie wartete, bis ihr Mann starb, und nannte seinen Tod vermutlich natürlich. Es gab keinen Chor der Ältesten, der über Kurt Trojs Sterben ein Lamento angestimmt hätte, die beiden waren zunächst ganz allein. Die prophetisch klagende Tochter, die noch im Palast weilte, hatte am Gärdsbacken kein Gegenstück, denn Lillemor weinte nur. Ansonsten aber nahm das Schicksalsdrama in Kramfors nicht anders als in Argos seinen Lauf: Kurt Trojs Nieren arbeiteten immer schlechter und versagten schließlich ganz.
    Nun folgte die Beerdigung, und Lillemor suchte mich auf und bat mich mitzukommen. Sie war sehr blass und hatte seit der letzten Begegnung mit ihrer Mutter Kratzer von vier Nägeln auf der Wange.
    In der ersten Reihe in der Kirche von Gudmundrå stieg einem der Geruch der Chrysanthemen, Levkojen und Rosen drückend und stickig in die Nase. Ich dachte daran, dass Kurt Troj nun unter der Blumenpracht und der gebohnerten Eiche lag und lächelte. Lillemor hatte mir erzählt, sein Gesicht habe im Tod ein Lächeln gezeigt. Ich erwiderte, dass dies wohl von einem letzten Muskelspasmus herrühre. Es konnte sich ja kaum um einen durch Strychnin hervorgerufenen Risus sardonicus handeln, denn zu solch extremen Maßnahmen hatte Astrid Troj nicht greifen müssen. Sie war mit einem Witwenschleier behängt, der verhinderte, dass man sah, ob sie ebenfalls lächelte. Die Kirche war voller schwarz gekleideter Menschen, und im Chor standen befrackte Männer und hielten Ordensstandarten und Vereinsfahnen. Auf der Empore sang eine Dame das Ave-Maria.
    Beim Essen im Kramm saß ich ziemlich weit oben, was mich verwunderte. Astrid behandelte mich nicht mehr wie den letzten Dreck, und erst sehr spät am Abend begriff ich, warum. Lillemor drang darauf, dass ich mit zu ihnen nach Hause fuhr, sie fürchtete sich vor ihrer Mutter und vor allem davor, mit ihr allein zu sein.
    In dem großen Wohnzimmer standen die Vasen noch voller Kondolenzblumen, die meisten welk. Es roch nach abgestandenem Blumenwasser, denn es waren heiße Julitage gewesen. Lillemor wollte ihr schwarzes Kostüm und die ebenfalls schwarzen Strümpfe und Schuhe ablegen und sich umziehen.
    Aber Astrid erlaubte es nicht. »Du kannst ihm durchaus die Ehre erweisen, in Trauer gekleidet zu bleiben, zumindest heute.«
    Da fing Lillemor an, verwelkte Blumen hinauszutragen, aber auch das unterband Astrid.
    »Lass mir diesen Trost noch«, sagte sie. »Die Leute haben immerhin Anteil genommen.«
    Die Wahrheit war, dass die Mühlen in Kramfors ziemlich lange über Kurt Trojs Untreue geklappert hatten, bevor jemand Astrid davon erzählte. Man hatte sich darüber auch amüsiert, denn Kurt glaubte, besonders listig zu sein, wenn er mit dem Schlüssel für das Mietshaus seiner Geliebten einen Eingang benutzte, der weit von dem ihren entfernt war, und durch den Keller zu ihrem Aufgang ging. Der gemischte Tratschchor

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