Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
in sich verbundenen Welt. Darin stand der Wolf für Kraft, war freundlich und eine Kreatur mit Gemeinsinn.
Doch konnte er keine Verbindung zwischen der riesigen Kreatur und sich selbst herstellen. Vielmehr meinte Sutton, dass er selbst vielleicht mehr Wolf war als dieses Vieh vor ihm.
Dennoch musste irgendetwas das Tier erreicht haben, denn es rutschte ein wenig beiseite, während es seinen vermeintlichen Feind immer noch aus überhellen Augen anstarrte.
Sutton kroch näher. Schon schienen die Zähne des Wolfes größer zu werden. Das war freilich nur eine Täuschung, weil er sie knurrend entblößte. Sutton ignorierte die Zähne.
Noch näher heran.
Das hellblonde Haar der Frau lag in feuchten Strähnen auf dem matschigen Boden. Ganz vorsichtig streckte er seine Hand danach aus – und nasse Kiefer bissen nach seinem Handgelenk und fassten es.
Er unterdrückte einen Schrei und verharrte reglos. Die scharfen Hauer hielten seine Hand, rissen aber nicht weiter ins Fleisch. Jedenfalls noch nicht.
„Lass los!“ Fast flüsterte er den Befehl. Diese Zähne würden die Hand mit einem Happs abbeißen können. Er versuchte, das Bild einer abgebissenen und zerfleischten Hand aus seinen Gedanken zu bekommen. Stattdessen dachte er an Marmor. Er war aus Marmor, und der Wolf würde sich die Zähne ausbeißen.
„Lass los!“, sandte er aus, konzentriert darauf, sich nicht zu bewegen und nicht gegen diese allzu enge Berührung anzukämpfen.
Der Wolf war sich uneins, was er tun sollte. Er blickte irritiert und frustriert vor sich hin. Es war sehr deutlich, dass die Entscheidung ihn einen inneren Kampf kostete.
„Lass los!“, wiederholte Sutton und fragte sich, ob er im nächsten Moment noch eine Hand haben würde.
Doch Worte hatten ihre eigene Stärke. Sie definierten die Welt.
Der Wolf schnaubte verwirrt und ließ los. Sutton blickte ihn misstrauisch an. Dann sah er auf die Frau vor ihm. Sie lag auf dem Bauch. Er ergriff ihre Schulter und drehte sie um.
Sie lag in tiefster Ohnmacht. Er berührte ihr Gesicht. Es fühlte sich eiskalt an. Vorsichtig patschte er ihr an die Wange und hörte sofort wieder damit auf, als ein Knurren allzu nah an seinem Ohr erschallte. Er übertrat offenbar gerade eine Reviergrenze. Die Kreatur mochte das gar nicht.
„Fräulein …“ Wie hieß sie nur noch?
Er schüttelte sie an der Schulter, und sofort versuchte das Tier, seine zahnige Schnauze zwischen die beiden angekündigten Gänge des Abendessens zu stecken.
Er ließ sie los und wandte sich dem Tier zu. Es kostete ihn einiges an Überwindung, doch er berührte dessen Nacken, und seine Finger sanken tief in den filzigen Pelz. Feuer? Besser nicht. Erst mal nur Körperkraft. Er schob den Wolf aus dem Weg. Der sah überrascht aus, bewegte sich dann aber doch ein paar Schritte nach hinten, ohne Sutton aufzufressen. Dieser sah das als positives Zeichen an.
Er wandte sich wieder der Frau zu, manövrierte einen Arm unter ihre Schultern, hob ihren Oberkörper an.
„Mädel! Aufwachen! Sie können hier nicht liegen bleiben. Es ist kalt, es ist nass, und ich wette, diese gottverdammten Schweinepriester sind auch nicht weit. Sie möchten denen nicht begegnen, glauben Sie mir. Ich möchte ihnen auch nicht begegnen.“ Er schenkte dem Wolf einen zweifelnden Blick. „Seine Herrlichkeit Meister Lupus hier ist vermutlich auch besser dran ohne sie.“
Sie gab ein Stöhnen von sich.
Während er sie mit einem Arm immer noch hielt, setzte er das Fläschchen an ihre Lippen. Vorsichtig goss er ein paar Tropfen in ihren Mund.
Ein Beben durchlief sie.
Noch ein paar Tropfen. Sie begann zu husten, dann öffnete sie die Augen, begriff, dass er sie hielt, erblickte danach den Wolf neben ihr. Nach Suttons Eingeschätzung war sie nicht leicht zu erschüttern, und er erwartete keine hysterischen Anfälle.
Offenbar hatte er sich getäuscht.
Der Wolf knurrte in sein linkes Ohr. Die Frau kreischte in sein rechtes Ohr. Seine Feinde standen vermutlich schon Schlange, und der Regen wurde eben schlimmer.
Warum war er verdammt noch mal nicht daheim im Lehnsessel geblieben?
Kapitel 50
D ie Vögel flogen auf , als etwas oberhalb von Clarissa durch die Zweige brach. Die Sekunden wurden lang, und sie schien mit einem Mal unendlich langsam geworden zu sein, als ob jeder Muskel in ihrem Körper sich weigerte, ihre Befehle anzunehmen und sich aus dem Staub zu machen, bevor diese neue Gefahr auf sie niederbrechen würde.
Karreg war nun schon eine Weile fort. Er
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