Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
panisch, er schien aber ihre Existenz ganz vergessen zu haben. Auch hielt er ihre Handgelenke nicht mehr fest, und sie schlug ihm noch einmal auf die gebrochene Nase.
Was hatte er eigentlich mit der Pistole gemacht?
Ein ohrenbetäubendes Krachen erschallte. Die Waffe war abgefeuert worden. In ihren Ohren pfiff und jaulte es. Oder kam das Jaulen von woanders her?
Kapitel 69
E r hatte keine Wölfe gefunden . Karreg war aufgewühlt vor Sorge. Wenn er nicht alle Ingredienzien hatte – wie sollte das gehen?
Es würde – wieder – nicht funktionieren. Er sollte sich besser an den Gedanken gewöhnen. All die Opfer, die er als Gegengewicht für das erste ausgewählt hatte, alles wäre wieder umsonst.
Er ließ sich vom Himmel fallen und landete neben seinem Baum. Nur noch die Mädchen befanden sich darin. Er konnte ihr Leben spüren. Es wurde schwächer. Bäume waren etwas für Vögel, Eichhörnchen und Dryaden.
Er berührte die Rinde mit einem Gefühl unendlicher Sehnsucht. So gerne wollte er nach Hause. Doch er konnte es nicht ändern.
„Was ich will, definiert nicht das Universum“, sagte er, und es klang wie ein abgenutztes Zitat.
„Was ich weiß, ist winzig gesehen im Kontext der Gesamtheit“, fuhr er fort.
„Was ich bin …“ Er zauderte. „Was wir sind, ist …“
Die Erinnerung war wie ein Schwert, das durch sein Gehirn hieb und Teile davon abschnitt. So viel Blut und Tränen – für nichts. Doch er konnte nicht anders. Er musste es versuchen. Vielleicht würde er es immer wieder versuchen, die nächsten tausend Jahre, und würde Mal für Mal erneut scheitern.
Er musste die Mädchen aus dem Baum bekommen.
Er sollte wirklich wissen, wie, doch das Wissen fehlte ihm. So etwas war noch nie geschehen. Der Baum hatte so lange niemanden eingelassen. Das war ja das Problem. Und ausgerechnet jetzt hatte der König der Baumgesellschaft auf irgendeinen völlig unverständlichen Reiz reagiert, hatte vielleicht eine Seelenverwandtschaft erkannt. Nun war alles noch schlimmer als vorher.
Warum nur hatte der Baum das getan? Er hatte nie so etwas wie einen freien Willen zur Schau gestellt, wenn man davon absah, dass er ihn ausgeschlossen hatte. Er war ein Baum. Er war ein Heim.
Und jetzt, da er kein Heim mehr war, war er immer noch ein Baum.
Karreg hätte zumindest ahnen müssen, dass der Baum auch anders konnte. Den Mann musste er rausgelassen haben. Sicher hatte der sich nicht von selbst befreit. Dabei hatte Karreg es längst aufgegeben zu glauben, dass der Baum mehr sein konnte als das, was er eben war: ein Baum.
Er mochte jedoch Aspekte in sich bewahrt haben, die ursprünglich Karreg gehört hatten. All die Erinnerungen, auf die Karreg nicht mehr zugreifen konnte – gehörten sie jetzt dem Baum?
Karreg war, was er war, eben das war das Problem. Sein Bewusstsein war so weit aufgespalten, dass die Segmente sich pausenlos bekriegten und immer das ausblendeten, was dem anderen Teil zu fremd war.
Was übrig blieb, war alles, was er hatte, und es reichte gerade einmal so weit, dass es ihm etwas Hoffnung gab und ihm eine Wahl vorgaukelte und Macht, mal viel, mal wenig, aber nie genug, um ihm Weisheit zu geben oder einen vernünftig ausgearbeiteten Plan.
„Clarissa!“ Der so menschliche Name ging ihm fremd von den Lippen. „Kind. Ich komme wieder und helfe dir. Ich verspreche dir …“ Er brachte es nicht über sich, etwas zu sagen, von dem er wusste, dass es nicht die Wahrheit war, jetzt nicht und vermutlich nie.
Karreg fühlte deutlich den nagenden Einfluss der stahlharten Magie, die durch die Welt sickerte. Der Bruderschaftsmagier war stark, so stark wie Karreg einmal gewesen war und genauso gedankenlos anmaßend. Er hatte sich an die Anderwelt angekoppelt, ohne zu merken, was er tat. Nur um sich den Regen zu ersparen, hatte er seine Macht ausgesandt und den nächstbesten trockenen Ort angewählt.
Langfristig konnte das nur Schwierigkeiten machen. Die graue Welt war nichts, mit dem man herumalberte. Sie hatte ihre eigenen Regeln. Diese waren wenig logisch, wenn man als Maß das menschliche Weltverständnis hatte, das immer nur einen winzigen Aspekt der unendlichen Möglichkeiten als Basis für Schlussfolgerungen nahm.
Ganz falsch.
Wenn er stark genug wäre, die Bruderschaft zu bekämpfen, so würde er das tun. Doch da er sich nie darauf verlassen konnte, was er konnte und was nicht, war er sich sicher, dass er eine direkte Konfrontation verlieren würde. Was würde dann geschehen?
Was immer er
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