Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
von ihnen beobachtet.
Sie duckte sich nieder. Herbstkahles Gestrüpp war nicht dazu angetan, irgendjemanden zu verbergen. Ihr Herz schlug so laut, dass sie meinte, es halle durch das ganze Tal.
„Dumm“, dachte sie wieder.
Es war noch viel dümmer, dass ihr ausgerechnet jetzt Tränen in die Augen stiegen. Das war nun wirklich der gänzlich falsche Moment für hysterische Anfälle.
Was würden diese Männer mit ihr machen, wenn sie sie erwischten? Würden sie sie gehen lassen? Oder würden sie dafür sorgen, dass ihre Schreie in die von Rosbergs mit einstimmten? Sie schob den Gedanken resolut von sich fort und kämpfte ihre Tränen nieder.
„Ein Fenster ist nur ein Fenster“, flüsterte sie und zwang sich wieder in eine aufrechte Position. Wenn es nur dunkler wäre.
Jetzt rannte sie, schlüpfte um einen Holzschuppen herum. Dort hielt sie einen Augenblick lang reglos inne. Dann stahl sie sich um die Ecke und schlich auf Zehenspitzen zum Haus. Sie konnte von dort Stimmen vernehmen, verstand aber keine Worte.
Wieder erschallte ein Schrei, und sie duckte sich unter ein Fenster.
Mit fliegenden Händen fummelte sie ein Zündholz aus der Schachtel.
Und ließ es fallen, da ihre Finger zu sehr zitterten, um es festzuhalten.
Sie holte ein weiteres hervor. Diesmal gelang es ihr, es auch in der Hand zu behalten.
Während sie das Pulverhorn mit dem weißen Leinenstreifen von sich forthielt, schabte sie mit dem Schwefelhölzchen über die raue Oberfläche der Wand. Sie betrachtete fast eingeschüchtert die Flamme, dann hielt sie sie an den Stoff. Der brauchte eine Weile, bis er schließlich brannte. Winzige, blaue Flammen fraßen sich nach oben zu ihrem Ziel. Konstanze wurde klar, dass sie sich jetzt beeilen musste.
Sie hob das Horn und klemmte es unter ein loses Brett, das mal ein Fenstersims gewesen war. Dann duckte sie sich und kroch so schnell sie konnte wieder zum Schuppen.
Sie hatte ihn noch nicht erreicht, als ihr ein Gedanke durch den Kopf schoss. Was, wenn diese Behelfsbombe so fürchterlich in ihrer Wirkung sein würde, dass sie Menschen tötete? Lieber Gott, zur Mörderin wollte sie gewiss nicht werden.
Sie erreichte den Schuppen rennend, dann gaben ihre Knie nach. Sie fiel, plötzlich außer Atem, und steckte sich die Finger in die Ohren.
Nach einer Weile nahm sie die Finger wieder heraus. Hatte sie die Explosion überhört? Das war doch wohl kaum möglich. Irgendwas hätte sie doch hören müssen. Und da hörte sie auch schon etwas. Schritte. Direkt hinter ihr.
Kapitel 30
S utton war darauf vorbereitet gewesen, dass dies eine eher arme Gegend war. Wie ärmlich und hinterwäldlerisch sie tatsächlich war, erstaunte ihn dennoch. Er schalt sich für diese Reaktion. Wo er aufgewachsen war, waren die Menschen auch nicht reicher gewesen. Er war offenbar weich und arrogant geworden, während er seine Sitzfläche in den bequemen Sesseln der Aroria-Loge ausgeruht hatte.
Menschliche Ansiedlungen wurden zusehends rarer, je weiter sie gen Norden kamen. Sie waren ohne viel zu reden vor sich hin geritten, Sutton meist vorneweg.
Er fühlte sich im Sattel zu Hause. Das bisschen Regen machte ihm nichts. Er liebte es, wie ihm der Wind ins Gesicht blies, und freute sich an der Freiheit der Landschaft. Er hatte zu lange in der Stadt verweilt. Wie ein Seemann, der nach einer langen Seereise erst wieder seine „Landbeine“ finden musste, versuchte er, dieses Land zu erfühlen.
München war ihm zur zweiten Heimat geworden. Meister des Arkanen blieben gerne unerkannt, und Großstädte gaben einem die Möglichkeit, in der Menge zu verschwinden. Ganz ohne Nacht und Nebel. Die Neugier, die man als gut situierter Junggeselle auf sich zog, blieb so lange klein, wie es einem gelang, nichts ausnehmend Skandalöses zu tun – und sich dem Zugriff mit heiratsfähigen Töchtern gesegneter Mütter zu entziehen.
Ein Teil der Meister, Adepten und Akolythen wohnte direkt im Logenhaus. Sutton zog es vor, die Freiheit seiner eigenen Räumlichkeiten zu genießen. Auch McMullen lebte lieber außerhalb der heiligen Hallen und bewohnte immer noch die Wohnung, die er sich mit einem jungen Künstler geteilt hatte. Letzterer war nun nicht mehr in München, und Sutton erinnerte sich nicht daran, warum das so war.
Diese verdächtige Gedächtnislücke irritierte ihn, und sein geschultes Magiergehirn ließ ihn bei dem Gedanken verweilen.
Er zügelte sein Pferd und ließ sich zurückfallen, bis er neben seinem Reisegefährten ritt. Dann
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