Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
dürfen. Nur damit sie einen Vorgeschmack auf das bekam, was ihr auch blühte.
Er erhob sich und warf sich den Mantel über. Das Gebiet, in dem die Frauen sein mochten, war gigantisch. Es gab nicht einen vernünftigen Grund zu glauben, er könnte sie finden.
Und doch würde er genau das tun. Er trat nach draußen und sah noch aus dem Augenwinkel, wie sich die Wirtin bekreuzigte, als er ging.
Einfältige Leute. Voller Aberglauben und Unsinn.
Kapitel 29
D er Wald öffnete sich zu einem Tal hin, das sanft eingebettet zwischen den Hügeln lag. Ein kleiner Bach durchschnitt es gurgelnd. An der tiefsten Stelle des Tales standen ein winziges Bauernhaus und eine Scheuer. Die Gebäude und Zäune sahen verwahrlost aus. Das Leben hatte dieses Gehöft verlassen.
Konstanze hielt ihr Pferd am Waldrand an und blieb im Schatten. Ein seltsames Gefühl überkam sie, ein Surren in der Magengegend, eine Warnung in ihrem Gemüt. Der Wald fühlte sich plötzlich vertraut an, wie eine Zuflucht gegenüber alldem, was sie in diesem gut einsehbaren Tal erwartete.
Es gab absolut keinen logischen Grund anzunehmen, dass es sich hier um genau den Bauernhof handelte, von dem das Mädchen gesprochen hatte. Menschen verließen ihre Höfe allenthalben, wenn diese nicht mehr profitabel waren, und nach Amerika auszuwandern war unter den Ärmsten zum begehrenswerten Ziel geworden. Das Land hatte all jenen viel zu bieten, die sich nicht vor neuen Herausforderungen fürchteten.
Konstanze gestand sich selbst freilich ein, dass sie im Moment auf neue Herausforderungen gerne verzichtete. Wer immer behauptete, das Leben einer Gouvernante wäre langweilig, gehörte getreten.
Was tat sie hier überhaupt? Das Letzte, was sie brauchte, war eine weitere Konfrontation mit diesen eigentümlichen Mönchen. Sie waren der Feind.
Du lieber Himmel. Sie hatte Feinde. Wer hätte das je geahnt? Konstanze Vanholst, Gouvernante und so harmlos wie mittellos, hatte auf einmal Feinde. Da saß sie nun auf einem gestohlenen Pferd irgendwo im Nirgendwo und versuchte, ein Kind zu finden. Wie sollte das gehen? Ihre mickrigen Optionen lagen vor ihr wie Stolpersteine. Wie ein scharfer Schmerz biss die Unmöglichkeit ihrer Aufgabe in ihre Seele.
Sie nahm die Feder aus ihrer Tasche.
„Bitte!“, sagte sie. „Bitte. Jetzt.“ Es gelang ihr nicht, die ihrer Situation angemessenen Worte zu finden. Sie wusste nicht einmal genau, was sie sich wünschen sollte – von dem ultimativen Ziel, Clarissa in Sicherheit zu bringen, einmal abgesehen.
Ein schmerzerfüllter Schrei durchschnitt die Stille. Rosinante scheute, und es bedurfte Konstanzes gesamter Reitkunst, sich nicht abwerfen zu lassen. Dass sie die Stimme wirklich erkannt hätte, konnte sie nicht sagen. Dennoch hegte sie keinen Zweifel daran, dass sie genau wusste, wem die Stimme gehörte.
Diese Männer machten irgendetwas mit Richard von Rosberg. Etwas ziemlich Schreckliches vermutlich, und sie war daran schuld.
Sie rutschte etwas steif aus dem Sattel und hielt die Zügel fest. Es wäre ein Leichtes, einfach weiterzureiten und dies hier zu ignorieren. Doch der Gedanke allein bereitete ihr schon Unbehagen. Es war anzunehmen, dass der Mann nicht zuletzt wegen ihr in die Situation geraten war, in der er jetzt war.
Konnte sie Hilfe holen? Sie wusste nicht einmal, wo. Die Familie, bei der sie eingekehrt war, würde wohl nicht mit ihr kommen, um ein paar fromme Mönche anzugreifen. Sie würden sich nur bekreuzigen und kniefällig in die andere Richtung blicken, wie das Menschen jahrhundertelang gemacht hatten, wenn es Hexenjagden oder Obrigkeitswillkür zu ignorieren gegeben hatte.Und wenn sie jetzt losritt, um ein Dorf zu suchen, würde es dort auch wieder nur Menschen geben, die dasselbe taten. Sie war nur eine Fremde auf einem gestohlenen Gaul. Wer würde ihr schon helfen wollen?
Sie befestigte die Zügel locker an einem Ast und stellte dabei fest, dass ihre Hände zitterten. Sie sollte besser noch einmal darüber nachdenken. Noch einmal? Sie hatte noch gar nicht darüber nachgedacht. Wenn sie das getan hätte, dann wäre sie schon auf dem Weg weit, weit weg.
Ein weiterer schmerzerfüllter Schrei hallte durch das Tal und endete in etwas, das fast wie ein Jaulen klang.
Sie entsann sich des seltsamen Eindrucks, den von Rosberg in der letzten Nacht gemacht hatte. Irgendwie hatten sie ihn verändert. Da war sie sich sicher. Man konnte nicht erst ein aufrechter, imposanter besserer Herr sein und im nächsten Moment eine
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