Schwingen der Lust
sie sich schon so lange nichts mehr gekauft hatte. Am meisten Freude aber hatte ihr bereitet, ein Kinderbettchen und eine Baby-Erstausstattung für Lydia zu kaufen. Sie hatte vor, ihr von dem Geld zehntausend Dollar zu schenken, damit auch sie hier in New York bleiben konnte, und dann würde sie die Sachen gut gebrauchen können.
Das Verlagsgebäude, das sie jetzt betrat, erfüllte sie mit seiner atemberaubend schönen Eingangshalle aus Marmor und Stuck noch immer mit der gleichen Ehrfurcht wie vor zwei Jahren, als sie es das erste Mal betreten hatte.
Larry, ihr jetziger Lektor, war damals auf sie aufmerksam geworden durch zwei historische Krimis, die sie im Selbstverlag veröffentlicht hatte und die sich online über Amazon und die anderen Internetportale ganz ansehnlich verkauft hatten.
Er hatte sie in sein Büro eingeladen und ihr angeboten, ihr drittes Buch, Bloody Bill, einen Thriller über die Taten des Guerilla-Anführers William T. Anderson im Amerikanischen Bürgerkrieg, hier zu veröffentlichen. Bei einem echten Verlag. Davon hatte Maggie schon ihr halbes Leben lang geträumt.
In den sechs Monaten, die es inzwischen auf dem Markt war, hatte Bloody Bill sich zwar nicht schlecht verkauft, aber nicht gut genug für den Verlag - und auch nicht gut genug, als dass Maggie davon hätte leben können -, und sie wollten es wieder aus dem Programm nehmen. Das Risiko, Geld in die Werbung zu investieren, war ihnen zu groß bei einer unbekannten Schriftstellerin mit einem Titel über den Amerikanischen Bürgerkrieg.
Wie aber sollten ihr Name und ihr Buch überhaupt erst bekannt werden, wenn der Verlag nicht bereit oder fähig war, Geld in die Werbung zu stecken? Ein Teufelskreis.
Um den aufzubrechen, war Maggie heute hier.
Sie ging hinüber zur Rezeption und meldete sich bei der Empfangsdame an. Die führte ein kurzes Telefonat mit Larry und bat Maggie dann, mit dem Aufzug in den elften Stock zu fahren, wo sich sein Büro befand. Als Maggie oben aus dem Lift stieg, wartete Larry bereits auf sie.
Larry war gerade mal eins sechzig groß und ein wenig rundlich, mit dunklen, gutmütigen Augen, und er hatte das warmherzigste Lächeln, das Maggie je gesehen hatte. Er erinnerte sie immer ein klein wenig an Danny DeVito.
Larry war ein wunderbarer Mensch. Fürsorglich und interessiert. Mit seinen beinahe sechzig Jahren war er in der relativ kurzen Zeit, die sie einander kannten, fast schon so etwas wie ein Vaterersatz für Maggie geworden, die ihren wirklichen Vater nie kennengelernt hatte. Ihr natürlicher Erzeuger, angeblich ein Handelsvertreter aus New Orleans, hatte sich noch vor ihrer Geburt auf Nimmerwiedersehen aus dem Staub gemacht. Es stellte sich später heraus, dass er ihrer Mutter sogar einen falschen Namen genannt hatte und sich somit nicht nur um die Unterhaltszahlungen drückte, sondern auch für Maggie nicht aufzuspüren gewesen war, als sie es im Teenageralter einmal versucht hatte.
„Hallo, Kleines.“ Larry breitete die Arme aus und musste sich nach oben recken, um Maggie auf die Wangen zu küssen. Sie mochte es trotzdem gerne, dass er sie „Kleines“ nannte.
„Hey, Larry. Wir müssen reden.“
Sein Lächeln verschwand, sein freundliches Gesicht nahm einen traurigen Ausdruck an, und er lud sie mit einer Geste ein, ihn zu seinem Büro zu begleiten.
„Du weißt doch, Maggie, dass es nicht an mir liegt, nicht wahr?“, fragte er.
„Natürlich, Larry.“
Es schien ihm wichtig zu sein, dass sie das wusste, denn sein Gesicht hellte sich ein wenig auf. Seine Stirn aber blieb gerunzelt.
„Es sind die Pfennigfuchser in der Buchhaltung, die keine Kohle für die Werbung freigeben“, zeterte er los. Trotz seiner kurzen Beine ging er erstaunlich schnell. Für Maggie ein Zeichen dafür, wie sehr er sich aufregte. „Die haben schlicht und ergreifend keine Ahnung vom Buchgeschäft und davon, dass man Speck braucht, um Mäuse zu fangen. Oder zumindest Käse. Oder wenigstens ein Stückchen Brot. Das sagt einem doch der gesunde Menschenverstand, oder?“
Maggie nickte.
„Siehst du, jeder weiß das“, sagte er. „Nur die scheinen davon noch nichts gehört zu haben. Wenn sich ein Buch nicht gleich von Anfang an von selbst verkauft, riskieren die nicht einen Cent. Was doch paradox ist, findest du nicht?“
Wieder nickte sie.
„Weil, wenn es sich erst einmal von selbst verkauft, muss man doch auch keine Werbung mehr dafür machen. Aber auf dieser Welt verkauft sich eben nichts mehr von selbst. Das
Weitere Kostenlose Bücher