Schwingen der Lust
Angebot ist viel zu groß. Da geht man unter, wenn man die Leute nicht wenigstens ein bisschen aufmerksam macht.“
Sie erreichten sein Büro, und nachdem er sie hatte vorgehen lassen, schloss er die Tür hinter ihnen.
„Maggie, ich bin es so leid, dass unsere Hauptwerbemaßnahme inzwischen nur noch darin besteht, einen Aufkleber ,Bestseller‘ auf Bücher zu kleben, eben weil sie schon Bestseller sind. Weil sie von Bestseller-Autoren geschrieben wurden, die das noch werden konnten, weil es zu ihrer Zeit noch Werbebudgets gab.
Kosten sparen, Kosten sparen, Kosten sparen. Ein Buch muss erst einmal Geld bringen, damit man auch Geld da rin investieren kann. Das ist alles, was uns diese Finanzquacksalber vorbeten können. So ein Schwachsinn! Hätten die Gründer dieses und anderer Verlage so gedacht, hätte es überhaupt nie Bücher gegeben.“
Larry hatte sich in Rage geredet und bot Maggie einen Stuhl an, ehe er sich in den Sessel hinter seinem Schreibtisch plumpsen ließ.
Er musste erst einmal verschnaufen. Dann holte er eine Flasche Scotch und zwei Gläser aus der Schublade und goss ihnen beiden ein. „Du weißt, dass ich Bloody Bill liebe“, fuhr er fort und schob Maggie eines der Gläser hin. Sie nippte kurz daran. Es war viel zu früh für Whisky. Auch Larry trank eigentlich nie vor sechs Uhr abends. Ein weiteres Zeichen dafür, wie nahe ihm die Sache zu gehen schien.
Nachdem er einen Schluck genommen hatte, entspannte er sich ein wenig. „Es ist ein fantastisches Buch, Maggie. Historisch fein recherchiert, sozialkritisch, spannend ohne Ende und so authentisch erzählt. Du bist eine fantastische Autorin.“
„Danke“, sagte sie und wurde rot.
„Das bist du wirklich“, fuhr er fort. „Ich meine, wer weiß schon, dass Frank und Jesse James gerade mal siebzehn und vierzehn waren, als sie auf Seiten der konföderierten Guerillas um ihr nacktes Überleben kämpfen mussten? Und ihre späteren, sogenannten Verbrechen in Wahrheit nur Versuche waren, auch weiterhin gegen die Unterdrückung und die Enteignung durch den Norden zu rebellieren? Dein Buch ist Dynamit, Maggie!“ Er seufzte. „Und unsere Geldschneider wollen nicht einmal das Streichholz bezahlen, um die Zündschnur in Brand zu setzen.“
„Deswegen bin ich ja hier, Larry“, sagte Maggie mit einem Lächeln, als sie jetzt endlich Gelegenheit dazu fand. „Ich werde das Streichholz bezahlen.“
„Du?“ Er wusste, dass es schlecht um ihre Finanzen stand.
Sie griff in ihre Handtasche und holte ein Geldbündel hervor.
„Fünfzigtausend Dollar.“
Larry starrte sie mit offenem Mund an.
„Ich weiß, das ist nicht wirklich viel“, gab Maggie zu. „Aber ich bin bereit, sie zu investieren, wenn der Verlag noch einmal das Doppelte drauflegt.“
Larry stieß einen tonlosen Pfiff aus. „Gestern warst du noch pleite, Kleines. Woher ...?“
„Ein Geschenk des Himmels.“ Sie musste schmunzeln, weil das ja auch so ziemlich zutraf. Näher jedoch wollte sie ihm gegenüber nicht auf die Einzelheiten eingehen. So etwas erzählte man einem Vater nicht. Auch nicht einem Vater-Ersatz.
Larry nahm das Bündel in die Hand.
„Hm“, machte er. „Das ist eine ganz schöne Stange Geld, Maggie. Und wir müssten rund vierzigtausend zusätzliche Bücher verkaufen, damit du das wieder reinkriegst. Aber wenn wir es damit auch bekannt genug machen, um die Auslandsrechte zu verkaufen, kriegst du relativ rasch ein Vielfaches davon zurück.“
Maggie nickte. „Geh zu deinen Finanzleuten und unterbreite ihnen meinen Vorschlag. Ich warte währenddessen hier.“
Larry schaute sie lange und fürsorglich an. „Und du bist dir wirklich sicher, dass du das tun möchtest?“
„Absolut.“
„Du willst nicht noch einmal in aller Ruhe darüber nachdenken? Ich meine, auch wenn es die Chancen steigert, eine Garantie kann dir niemand geben.“
„Ich habe bereits ausführlich darüber nachgedacht, Larry“, sagte sie. „Geh ruhig und sprich mit ihnen.“
„Also gut.“ Larry stand auf und verließ das Büro. Maggie ging zu seinem Kühlschrank und holte sich ein Wasser. Der Whisky war ihr jetzt einfach zu stark. Sie wollte einen klaren Kopf behalten.
Sicher, fünfzigtausend Dollar war bei den enormen Preisen der heutigen Werbeindustrie eher ein Tropfen auf dem heißen Stein - selbst wenn der Verlag noch einmal hunderttausend drauflegen würde. Aber es war besser als nichts, und es konnte den Unterschied ausmachen zwischen dem Versinken des Buches in Vergessenheit
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