Schwingen der Lust
komplizierter wurden. Aber der Kerl hatte es ihr angetan.
Möglicherweise sogar mehr als das.
Und sie wollte wissen, was es mit Azazel auf sich hatte. Larrys Behauptung, dieser Azazel sei schlimmer als Luzifer, hatte sie noch neugieriger gemacht. Wie konnte etwas oder jemand noch schlimmer sein als Luzifer? Sie wünschte sich jetzt, sie hätte Larry weitergehend dazu befragt, aber die Jungs von der Finanzabteilung hatten sie unterbrochen mit dem Vertrag zu dem Promo-Sharing.
Gedankenversunken stieg sie aus der Dusche, wickelte sich ein großes Handtuch um und schenkte sich einen Kaffee ein - drei Löffel Zucker, einen Schuss Milch. Das nannte sie ihr Denkgetränk. Normalerweise nahm sie ihren Kaffee mit nur zwei Löffeln Zucker und ohne Milch; aber wenn sie am Computer recherchierte, brauchte sie ihn süßer und weiß.
Sie nahm einen großen Schluck, setzte sich an den Rechner und ging ins Internet.
Es überraschte sie nicht schlecht, dass Google ihr schon weniger als eine Minute später unzählige Verweise zu Azazel ausspuckte, wo sie doch, trotz ihres Faibles für Geschichte und Mythologie, noch nie von ihm gehört hatte. Maggie konzentrierte sich nur auf die, die auch einen seriösen und fundierten Eindruck auf sie machten. Im Laufe der Jahre, die sie jetzt schon online für ihre Romane recherchierte, hatte sie da sorgfältig zu unterscheiden gelernt.
Schon nach kurzer Zeit hatte sie einiges in Erfahrung gebracht: Gemäß christlicher und jüdisch kabbalistischer Überlieferung war Azazel ursprünglich ein besonders hochrangiger Engel. Er war ein Ariel gewesen. Manchen Quellen zufolge sogar der Oberste der Arielim - „Der Löwe der Himmel“.
Maggie musste unwillkürlich an ihren Traum zurückdenken: an den schwarzen Löwenkopf mit den Widderhörnern.
Azazels ursprünglicher Name lautete Hel’El — „Herr der Sonne“. Er war es, der auf die Schönheit der Menschenfrauen aufmerksam geworden war und eine Gruppe von Engeln dazu verführt hatte, gegen Gott zu rebellieren, sich hier auf der Erde niederzulassen und diese Frauen zu ihren Gefährtinnen zu machen. Und so war aus Hel’El Azazel geworden - „Herr der Erde“.
Aus der Verbindung dieser gefallenen Engel und den Menschenfrauen erwuchsen die Nephilim: mächtige Wesen, halb menschlich, halb göttlich. Mit ihnen wollte Azazel eine Rebellion gegen Gott führen, um die Macht über die Erde für immer an sich zu reißen. Dieses Sakrileg erzürnte Gott so sehr, dass er seine Erzengel in den Krieg schickte gegen die Gefallenen und ihre Missgeburten ...
... ein Krieg, in dessen Verlauf die Menschheit und die Nephilim durch die Sintflut ausgelöscht wurden.
Wieso huldigte Axel diesem Feind der Schöpfung durch die vierfache Zeichnung dessen Namens auf seinem Körper? Oder war er sich vielleicht gar nicht im Klaren darüber, was die Zeichnung überhaupt bedeutete?
Sie würde ihn darauf ansprechen. Aber zuerst wollte sie noch mehr über Azazel herausfinden. Genaueres. Dazu würde sie sich jedoch nicht auf Artikel im Internet verlassen. Sie brauchte ältere Quellen.
Und sie fand sie.
Die meisten der Einträge bezogen sich auf das Buch der Wächter von Henoch, eine Schrift älter noch als alle bekannten Bibel-Urtexte. Man zählte es zu den sogenannten apokryphen Schriften. Das waren Texte, die aus religionspolitischen Gründen nicht in den Kanon der Bibel aufgenommen worden waren.
Maggie ahnte, warum.
Die ganze heute geläufige Bibel drehte sich um den ewigen Kampf zwischen Gott und Luzifer. Gut und Böse. Sie war von vorne bis hinten so aufgebaut, dass Luzifer der Einzige war, der je gegen Gott rebellierte - eine irrelevante unrühmliche Ausnahme, die Gott am Tag des Jüngsten Gerichts zur Rechenschaft ziehen und vernichten würde. Das damit verbundene Versprechen an die Menschheit war: danach ist das Böse für immer vernichtet, und die Erde wird zu einem Paradies. Ein Konzept, das völlig auf den Kopf gestellt werden würde, wenn herauskäme, dass das Strafgericht gegen Luzifer keinen einmaligen Präzedenzfall darstellte, sondern auch andere hochrangige Engel versucht hatten, gegen ihren Schöpfer zu rebellieren.
Maggie war gespannt zu erfahren, was sich damals genau abgespielt hatte und was nach der Rebellion aus Azazel geworden war, also suchte sie nach einer englischen Übersetzung des Henoch-Textes. Als sie nach einer kleinen Ewigkeit keine gefunden hatte, beschloss sie, später direkt in die Bibliothek zu gehen.
Eine Sekunde später klingelte
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