Schwingen der Lust
anschnallte. „Wir sind auf jeden Fall um einiges schneller als der Sturm. Sobald ich den Vogel erst einmal in der Luft habe, besteht kein Grund mehr zur Eile.“
Maggie beobachtete, wie die beiden Matrosen sich sputeten, die Kufen des Helikopters von ihren Sicherungen zu befreien und entdeckte dann Tazz, der wieder dort oben hinter der Brücke stand, wo sie ihn zuerst gesehen hatte.
Wie auch vorhin lächelte er. Doch dieses Mal galt das Lächeln nicht ihr. Sein scharf geschnittenes Gesicht war dem Sturm zugewandt. Es schien, als würde er ihn freudig erwarten. Und wieder fiel Maggie auf, wie unglaublich attraktiv er war.
Fast so attraktiv wie Axel. Und genauso makellos.
Die Matrosen traten vom Hubschrauber zurück, und der Pilot ließ die Maschinen aufheulen, um die Rotoren auf volle Touren zu bringen. Wenige Herzschläge später hob sich der Helikopter mit einer Geschwindigkeit in die Höhe, die Maggies Magen bis in die Kniekehlen sinken ließ. Sie krallte sich in die Lehnen ihres Sitzes.
Schon wenige Sekunden danach waren sie hoch genug, dass die gewaltige Jacht unter ihnen so klein aussah wie ein Modellbauboot. Maggie wünschte sich, sie hätte nicht nach unten gesehen und schloss die Augen. Dann erst brachte der Pilot den Vogel auf den Kurs gen Festland und beschleunigte.
Erst eine gute halbe Minute später traute Maggie sich, die Augen wieder aufzumachen.
„Wir haben es geschafft“, sagte der Pilot. Die See unter ihnen war hell und ruhig, der Helikopter schoss stabil und sicher durch die Luft gen Westen, und Maggies Nervosität legte sich langsam wieder.
Sie warf einen Blick zurück.
Seltsam. Von der eben noch so bedrohlich erscheinenden Gewitterfront war nicht mehr das Geringste zu sehen.
9. KAPITEL
Menschliche Gelüste
Alle Mann unter Deck!“
Tazz’ tiefe Stimme hallte auch ohne Megaphon über das ganze, riesige Schiff, und jeder Mann und jede Frau an Bord beeilte sich, seinem harsch ausgestoßenen Befehl Folge zu leisten. Das Lächeln seiner vollen Lippen wurde zu einem wissenden Schmunzeln, als er gleich darauf sah, dass die Gewitterfront, die jetzt beinahe die Jacht erreicht hatte, sich plötzlich wie durch Zauberhand in nichts auflöste. Das heißt, beinahe in nichts.
Tatsächlich zogen sich die turmhohen Wolken, ganz so als würde man sie komprimieren, zusammen zu einem zunächst winzigen Fleck, der jedoch schnell größer wurde, während er sich dem Schiff mit atemberaubender Geschwindigkeit näherte und schließlich in Menschengestalt darauf landete. Weite, taubenweiße Schwingen falteten sich zusammen und wurden sofort unsichtbar.
Die Frau hatte hüftlanges, honigblondes Haar und beinahe schon unschuldig blickende, große Rehaugen mit langen, seidigen Wimpern. Sie trug ein makellos weißes, ihr bis zu den schmalen Fesseln herab fließendes Kleid und auf der glatten Stirn einen schmalen, fein geschwungenen Goldreif, in dessen Mitte ein wie eine große Träne geformter Diamant eingearbeitet war.
Tazz lächelte und verneigte sich vor ihr. „Ani’El.“
Die Oberste des Rates der B’Nai Elohim erwiderte seine Verneigung mit sanfter Grazie.
„Wo ist die Abgal?“
„Nicht mehr hier, Schwester.“
„Du hast sie gehen lassen?“
„Ich habe jetzt ihre Witterung“, antwortete er. „Sie wird mich zu ihm führen.“
„Du benutzt sie als Köder?“
Er nickte.
„Also machst du Jagd auf ihn?“
„Ja“, sagte er knapp.
Ani’Els Blick füllte sich mit ungläubigem Erstaunen. „Du riskierst wirklich alles seinetwegen? Bist du denn von Sinnen, T’Azar? Er wird mit allen Mitteln versuchen zu verhindern, dass sie die Prophezeiung erfüllt.“
„Ich riskiere gar nichts, Ani’El“, erwiderte er ungehalten. Es ärgerte ihn mehr, als er zuzugeben bereit war, dass sie an ihm zweifelte - und offenbar auch daran, dass er alles im Griff hatte. „Die Abgal wird die Prophezeiung erfüllen. Das ist die Natur einer Prophezeiung, selbst wenn du verlernt haben magst, daran zu glauben.“
„Wage es nicht ...“
„Wage du es nicht, mir in die Quere zu kommen“, unterbrach er sie harsch. „Er wird endlich bezahlen für das, was er damals angerichtet hat. Und ich allein werde es sein, der dafür sorgt. Und dann, wenn er aus dem Weg ist und die Abgal getan hat, was ihr bestimmt ist, wird letzten Endes alles wieder so sein, wie es von Anfang an hätte sein sollen.“
„Nichts wird jemals wieder so sein, wie es von Anfang an hätte sein sollen und geplant war, T’Azar“, sagte
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