Schwingen des Vergessens
gerne beweisen.“ Der Mann legte eine Hand auf den Hörer und drückte dem kleinen Jungen dann das Handy auf den Mund. „Rede, aber sofort. Vielleicht wird es das letzte Mal sein, dass du mit deiner Mutter reden kannst. Also nutze die Zeit.“ Der Junge nickte sofort, ein Zittern ging durch seinen ganzen Körper. Amelie glaubte sogar, sein Herz pochen zu hören.
„Mama?“, fragte er zaghaft und umklammerte das Handy verzweifelt mit beiden Händen.
„Jim? Bist du es wirklich? Bitte nicht...“ Die Frau klang nun noch verzweifelter. „Was haben sie mit dir getan?“
„Noch nichts, ich bin an der Bushaltestelle gestanden und...“ Weiter kam er nicht, denn der Mann riss das Telefon schon wieder weg.
„Du hast ihn gehört. 20000 oder du wirst ihn nie wieder sehen. Also?“
„Ich... Ich habe das Geld nicht. Ich bin pleite, bitte tun sie ihm nichts. Ich kann noch einen Kredit von der Bank aufnehmen, notfalls kann ich noch meine Verwandten fragen, bitte lassen Sie ihn.“
„Nein, mach dir nicht die Mühe zur Bank zugehen. Wir wissen alles, ihr kriegt keinen Kredit mehr, da ihn alle Banken verweigert haben. Es ist also aus, wenn du das Geld nicht bezahlen kannst, wird dein Sohn es zu spüren bekommen? Wie hieß er noch gleich? Jim, nicht wahr? Der Name würde sich gut auf einem Grabstein machen, da bin ich mir sicher.“
„Nein, bitte tun Sie ihm nichts. Er kann doch nichts dafür, ich kriege schon noch das Geld. Sie müssen nur warten. In einer Woche habe ich es zusammen, versprochen.“
„Eine Woche ist zu lang“, kam die Antwort von vorne, der Fahrer war anscheinend ungeduldig geworden. Sein Komplize wiederholte die Worte energisch und vergewisserte sich immer wieder, ob Jim nicht bereits einen Fluchtversuch startete. Der Junge hatte bereits Tränen in den Augen, die immer mehr wurden, während er verzweifelt und vor allem ängstlich um sich trat.
„Ich brauche eine Woche. Sonst schaffe ich es nicht.“
„Nein, eine Woche ist zu lang.“ Nach diesen Worten legte der Mann auf und begutachtete seinen Gefangenen mit einem Hauch Mitleid in den Augen. „Deine Mutter wird dich vermissen, da bin ich mir sicher. Aber leider kann sie uns das geforderte Geld nicht bezahlen und deswegen wirst du mit deinem Leben bezahlen.“
„Was hast du mit mir vor?“, schrie Jim weinend und biss in die Hand, die immer noch auf seinem Mund lag. Amelie traten ebenfalls die Tränen in die Augen, was würden die Männer machen? Ihn töten? Aber was würde es ihnen bringen? Das nächste, was das Mädchen hörte, war der laute Knall und der darauf folgende, herzzerreißende Schrei. Dann war der Traum zu Ende.
5.5 ~*~ Schrecklicher als gedacht
Es war vorbei, endlich. Sogar für Amelie war es schlimm geworden, denn sie hatte wider aller Erwartungen mit Lanicel mitgelitten. Dieser saß wie ein Häufchen Elend vor ihr am Boden, völlig unfähig, sich zu bewegen. Das Mädchen sagte nichts dazu, bettete nur den Kopf in die Knie und wartete ab, was der Herrscher tun würde. Eigentlich hatte sie nur kurz Trauer von ihm erwartet, eher unbändige Wut, doch auch für ihn mussten diese Träume gerade zu schrecklich sein. Doch sie konnte trotzdem nicht den Grund vergessen, warum sie ihm diese Qualen antat. Der Kampf. Er hatte ihn angefangen und sie wollte ihn zu Ende bringen.
„Gibst du auf?“ Die Worte klangen mehr als nur seltsam, sehr sogar. Aus ihrem Mund hätte sie so etwas gar nicht erwartet, doch schließlich hatte Amelie sich in letzter Zeit mehr als nur gewaltig verändert.
„Nein, natürlich nicht“, brachte Lanicel nach ein paar tiefen Atemzügen hervor und blickte sie nun aus seinen schwarzen Augen feindselig ein. Trotz seiner körperlichen Schwäche schaffte er es, wenigstens zu der unsichtbaren Mauer zu kommen, die sie selbst nun auch um ihren Geist herum aufgebaut hatte.
„Du wirst es aber nicht schaffen.“
„Natürlich werde ich es schaffen, ich habe das schließlich so lange trainiert, so leicht kannst du mich nun auch nicht schlagen.“ Der Druck auf ihre Erinnerungen verstärkte sich, das Gefühl war einfach unbeschreiblich, denn wahrscheinlich existierte es nicht einmal. Schließlich waren Erinnerungen auch nicht vorhanden, sie waren nicht real. Trotzdem schwächte der Eingriff Lanicels sie enorm.
„Trainieren ist leider doch nicht alles.“ Mit diesen Worten wehrte sie seinen Angriff ab und startete selbst einen. Der Herrscher würde sich noch wundern, denn so schwach war sie nun auch nicht.
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