Schwur der Sünderin
die Höhe. Dann schlurfte er zur Tür und schloss auf.
Trotz des Gestanks atmete Hauser tief ein, denn er fürchtete sich vor dem, was er sehen würde. Der Kerkermeister nahm die Fackel von der Wand und leuchtete. Hauser blickte auf Veit und schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund. »Oh, mein Gott«, flüsterte er. »Oh, mein Gott, was haben sie dir angetan?«
Er setzte sich neben Veit und berührte ihn zart an den Wangen. »Veit, hörst du mich? Ich bin es, Jacob Hauser!«
»Ich glaube, dass er nicht mehr in unserer Welt ist«, sagte der Alte und kam näher. »Seit Tagen war er nicht mehr bei Bewusstsein.«
»Veit, halte durch! Wir holen dich hier raus. Ich verspreche dir, dass du nicht in diesem Loch sterben wirst! Wir holen dich nach Hause zu Anna Maria. Veit, gib mir ein Zeichen, dass du mich hörst«, bettelte Hauser und hatte Mühe, nicht wie ein Weib zu heulen. Doch Veit rührte sich nicht.
Hauser erhob sich langsam, denn seine Beine zitterten. Ein letztes Mal blickte er auf Veit und sagte: »Halte durch! Wir werden dich hier herausholen.« Dann verließ er die Zelle.
Der Kerkermeister verschloss die Tür und fragte gereizt: »Wie willst du den Mann hier herausholen? Ich kann ihn dir nicht einfach überlassen. Sie würden mit mir das Gleiche machen wie mit ihm. Er wird nicht überleben.« Seine Stimme war jetzt angsterfüllt.
»Wir werden ihn mitnehmen«, zischte Hauser und umfasste die Kehle des Mannes, den er gegen die Wand drückte, sodass er aufheulte.
»Lass mich!«, krächzte der Alte und rang nach Luft. »Ich war anständig zu deinem Freund und habe ihm Wasser gegeben. Keinem meiner Gefangenen habe ich je ein Leid zugefügt«, betonte er und versuchte, sich aus dem Griff zu lösen.
Hauser ließ den Alten frei und flüsterte bewegt: »Auch wenn Veit sterben muss, soll es nicht in diesem Loch sein.«
Der Kerkermeister fasste sich an den schmerzenden Hals und hustete. »Du hättest mich beinahe umgebracht«, schimpfte er.
»Es tut mir leid«, sagte Hauser. »Aber hilf mir. Es soll dein Schaden nicht sein.«
»Was nützt mir dein Geld? Wo soll ich hin? Ich bin allein, habe niemanden, zu dem ich gehen kann! Sie werden mich finden und wieder foltern.«
Hauser blickte auf. »Hast du dabei deine Finger verloren?«
»Nicht nur die Finger«, sagte er und zeigte auf seinen Rücken.
Hauser sog die Luft zwischen seinen Zähnen ein.
»Kannst du jetzt verstehen, warum dein Freund nicht mitkann? Ich habe Angst und will niemals wieder solche Schmerzen ertragen müssen.«
Hauser schlug die Hände vors Gesicht, ging auf und ab und überlegte. »Was ist, wenn du mitkommst?«
»Wohin?«
»In Sicherheit!«
Der Alte blickte Hauser kritisch an. »Wer sagt mir, dass du mich nicht umbringst?«
»Deine Menschenkenntnis!«
Hauser kippte den Schnaps hinunter wie Wasser und bestellte sofort den nächsten.
»Erzähl«, forderte Johann und hielt Hausers Arm fest, als er nach dem nächsten gefüllten Schnapsbecher greifen wollte.
Hauser blickte Johann mitfühlend an. »Dein Bruder wird sterben«, flüsterte er. »Dass Veit trotz dieser Wunden noch lebt, grenzt an ein Wunder.«
Johann legte seine Finger auf die Augen und schwieg.
»Was schlägst du vor?«, fragte Joß seinen Gefährten.
»Selbst, wenn wir Veit da rausholen, weiß ich nicht, ob er es bis Mehlbach schaffen wird. Wo sollen wir ihn hinbringen? Ullein würde ihn als Erstes auf dem Hofmeister-Hof vermuten«, stöhnte Hauser.
Johann blickte auf und sagte: »Macht euch um Ullein keine Gedanken. Er wird morgen bereits Geschichte sein.«
»Du musst vorsichtig vorgehen«, gab Joß zu bedenken. »Er darf nicht erfahren, dass wir gemeinsame Sache machen.«
»Ich werde mir an dieser Ratte meine Finger nicht schmutzig machen«, erklärte Johann und lachte zynisch.
Als Hauser das hörte, nickte er zufrieden und sagte: »Wir können Veit da drin nicht krepieren lassen und müssen ihn aus dem Gefängnis holen.«
Fragend blickten Joß und Johann ihn an. Und Hauser erklärte seinen Plan.
Susanna Nehmenich, ihr Bruder Johannes und ihre Mutter saßen vor einer Schale mit warmem Bier und tunkten trockenes Brot hinein, als jemand an die Tür klopfte. Susanna stand auf, öffnete und blickte in das Gesicht eines Fremden.
»Was willst du?«, fragte sie und betrachtete den großen Mann, der ein Landsknecht zu sein schien, denn er hatte diese sonderbare Tracht an.
»Seid ihr die Nehmenichs?«
Sie nickte.
»Ich habe gehört, dass ihr euren Vater
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