Schwur der Sünderin
genau.
Und da erkannte er ihn.
Veit stieß einen leisen Pfiff aus – den Laut, mit dem er stets seine Wölfe gerufen hatte. Sogleich spitzte das Tier die Ohren. Sein leises Jaulen verriet Veit, dass der Wolf ihn zu erkennen schien. Dann sprang das Tier an ihm hoch, sodass er Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Winselnd versuchte der Wolf
immer wieder, sich auf die Hinterläufe zu stellen, um die Mundwinkel des Mannes zu lecken. Lachend drehte Veit den Kopf zur Seite und kraulte dem Wolf den Kopf.
»Du bist das Weibchen«, sagte Veit. »Es ist unfassbar, dass du mir von Mühlhausen bis hierher gefolgt bist.« Veit vergrub sein Gesicht in dem dichten Pelz des Tieres, das sich vor ihn hingesetzt hatte.
Plötzlich spitzte die Wölfin die Ohren. Sie blickte in den Wald hinein und wedelte mit der Rute. Es raschelte, und Veit konnte leises Fiepen vernehmen. Er blickte sich um und lachte laut auf. Drei Welpen hielten sich unter einem Busch versteckt und riefen nach ihrer Mutter.
»Du hast Nachwuchs bekommen«, sagte Veit und betrachtete voller Freude die Kleinen.
Sein Blick wurde ernst und glitt zu dem Fell, das tropfend über dem Baumstamm hing.
»Er war dein Männchen!«, stellte er fest und kraulte mitfühlend das Weibchen, das sich dicht an ihn presste. Die Welpen kamen langsam näher und schnupperten an Veits Füßen und Händen, die er ihnen entgegenstreckte. Verspielt bissen sie ihn in den Arm und zogen an seiner Hose. Als die Wölfin knurrte, suchten die Welpen sogleich Schutz bei der Mutter.
Veit schaute sich um und konnte zwischen den Bäumen weitere Wölfe ausmachen, die ihn zu beobachten schienen. Er erhob sich aus der Hocke und pfiff mehrmals leise die Melodie des Lockrufs. Dabei konnte er sehen, wie die fremden Wölfe die Ohren spitzten.
»So ist es gut!«, murmelte Veit zufrieden. »Erinnert euch dieses Lieds!«
Einige Tage später versammelten sich zahlreiche Männer auf dem Hofmeister-Hof. Sie waren aus den umliegenden Orten
zusammengekommen, um gemeinsam zur Wolfsjagd aufzubrechen. Lautstark beratschlagten sie ihr Vorgehen, während die Hunde an den Leinen zogen und aufgeregt bellten. Es war früher Abend, und leichter Wind vertrieb die flimmernde Hitze. Trotzdem stand manchen der Schweiß auf der Stirn.
Die Bauern Steiner und Kuntze sowie der Schmied wurden von Männern umringt, denen sie in allen Einzelheiten erzählten, wie die Bestien ihre Schafe und Ziegen gerissen hatten. Angestachelt zur Jagdlust hoben die Männer brüllend ihre Knüppel, Messer, Lanzen und Armbrüste in die Höhe. Sie konnten kaum erwarten, dass es losging. Unruhig sprangen die Hunde an den Männern hoch und bellten.
Jakob betrachtete das Treiben und sagte zu Friedrich: »Die Hunde müssen hierbleiben. Sie machen zu viel Lärm.«
»Zur Hirschjagd werden auch Hunde mitgenommen«, erwiderte sein Bruder, der das mitbekommen hatte.
»Da jagen erfahrene Jäger mit ausgebildeten Hunden. Schau dir diesen Haufen grölender Männer an. Sie können froh sein, wenn sie sich nicht aus Versehen gegenseitig abstechen.« Peter beobachtete das Treiben auf dem Hof.
»Er hat Recht«, stimmte Friedrich Jakob zu.
»Aber wer soll die Wölfe aus dem Wald treiben?«, fragte Peter.
»Wir werden Treiber mit Stöcken und anderen Dingen ausstatten, damit sie Lärm machen, der die Wölfe aus dem Wald treiben wird. Stelzer, Müller und Nehmenich haben keine Jagderfahrung und sind sicher froh, wenn wir sie als Treiber einsetzen.«
Bei der Erwähnung des Namens Nehmenich blickte Peter zu dem Mann, der abseits stand. Peter glaubte einen gehässigen Zug um Nehmenichs Mund zu erkennen, was bei dem Mann nicht ungewöhnlich war. Doch heute schien sein Gesichtsausdruck besonders bösartig zu sein.
»Was hältst du davon?«, fragte Jakob und riss seinen Bruder aus den Gedanken.
»Mal sehen, was die Männer zu deinem Vorschlag sagen werden«, meinte Peter nachdenklich.
Anna Maria blickte besorgt zu Veit, der am Hoftor zu warten schien, bis es losging. Seine Hände hielten den Knauf seines mächtigen Zweihandschwerts umfasst, dessen Spitze zwischen seinen Beinen im Staub des Bodens steckte. Veit schien ruhig und zur Jagd bereit, doch etwas in seinem Blick verriet Anna Maria, dass die Ruhe, die von Veit ausging, gefährlich war.
Seit ihrer Unterhaltung zwei Tage zuvor hatte sie keine Zeit gefunden, erneut mit Veit über die Wölfe zu sprechen. Beide waren von morgens bis abends mit den alltäglichen Arbeiten auf dem Hof
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