Schwur der Sünderin
schlug dem Mann zum Spaß auf den Kopf.
Der Geschlagene schmunzelte und erklärte: »Ich wollte meine Geschichte für den Schluss aufheben.« Er schaute mit wichtigem Blick in die Runde und schilderte, wie der Bauernführer Jäcklein Rohrbach in Württemberg die Burg Weinsberg und den Ort eingenommen hatte. »Die gefangenen Adligen ließ Jäcklein durch die Spieße laufen, und die Bauern stachen auf sie ein, bis sie tot darniederlagen. Anschließend soll Rohrbachs Geliebte, die Schwarze Hofmännin, die Toten aufgeschlitzt und mit dem hervorquellenden Fett ihre Schuhe eingerieben haben«, lachte der Mann, und wieder lachten alle laut mit.
Bis auf einen der Gefährten, der grimmig rief: »Gefangene durch die Spieße hetzen und die Toten auf diese Weise zu schänden kann nicht unser Streben sein.«
»Und was macht der Adel mit den Bauern?«, ereiferte sich einer der Männer, der eben noch laut gelacht hatte. »Meinem Bruder haben sie die Zunge herausgeschnitten und die Augen ausgestochen. Findest du das richtig?«
Der andere antwortete mit großer Ernsthaftigkeit: »Nein, gewiss nicht! Aber müssen wir uns wie sie benehmen?«
»Schon in der Bibel steht geschrieben: Auge um Auge, Zahn um Zahn«, sagte Joß mit harter Stimme. »Wir werden es ihnen auf gleiche Weise heimzahlen, so wahr ich Joß Fritz heiße.«
Die Nacht senkte sich über den Schwarzwald, als die Männer in weinseliger Laune in der Hütte saßen und sich an dem Brot und dem Speck labten, den sie mitgebracht hatten.
Freud und Leid liegen dicht beieinander, dachte Kilian, als er die fröhlich entspannten Männer beobachtete. Dabei blickte er zu Joß und erkannte die Erschöpfung in dessen Gesicht. Kilian setzte sich neben ihn und fragte: »Was spukt dir durch den Kopf?«
»Kennst du die Geschichten, die man sich über Jäcklein Rohrbachs Geliebte, die Schwarze Hofmännin, erzählt?«
Kilian schüttelte den Kopf.
»Man sagt, dass sie die Bauernrebellen durch Magie angeblich unverwundbar machen kann. Vielleicht ist das der Grund, warum Rohrbach bei Weinsberg gesiegt hat.«
Kilian ahnte, woran Joß Fritz dachte. »Weißt du, wo sie sich aufhält?«
Statt zu antworten, rief Joß dem Mann zu, der ihnen vom Sieg zu Weinsberg erzählt hatte: »Kannst du uns sagen, wo Jäcklein Rohrbach geblieben ist?«
»Er ist tot!«
»Was?«, schrien Joß und Kilian gleichzeitig, sodass alle verstummten. »Was meinst du mit tot ?«
»Man hat ihn nach der Bluttat bei Weinsberg gefangen genommen und hingerichtet«, erklärte der Mann, anscheinend gleichgültig, und biss in ein Stück Brot.
»Warum erzählst du, dass Weinsberg ein Erfolg war, wenn ihr Anführer hingerichtet wurde?«, brüllte Joß.
»Weil zahlreiche Adlige zuvor ins Gras gebissen haben. Das ist ein Erfolg«, verteidigte sich der Mann. »Dass Jäcklein danach verbrannt wurde, spielt keine Rolle. Wir haben gesiegt!«
»Ich bin von Irren umgeben«, murmelte Joß und vergrub sein Gesicht in den Händen.
»Was ist mit Rohrbachs Geliebter? Der Schwarzen Hofmännin?« , fragte Kilian und hatte Mühe, sich zu beherrschen. »Lebt sie, oder ist auch sie tot?«
Der Mann zuckte kauend mit den Schultern. »Mir ist nichts zu Ohren gekommen. Ich glaube mich zu erinnern, dass jemand sagte, die Alte sei mit dem Bauernhaufen gegen Heilbronn gezogen.«
Langsam blickte Joß Fritz auf und sah direkt in Kilians Augen. Kilian verstand, holte tief Luft, um dann zu befehlen: »Männer! Morgen werden wir uns auf den Weg nach Heilbronn machen.«
Kapitel 19
Niedergeschlagen und fassungslos saßen Peter und Friedrich, Jakob und Sarah, Hauser, Gabriel und Annabelle an einem der gedeckten Hochzeitstische in der guten Stube des Hofmeister-Hofes. Die übrigen Tische würden unbesetzt bleiben, da Jakob die geladenen Gäste nach dem Drama in der Kirche nach Hause geschickt hatte.
In einer großen Schüssel auf dem Tisch dampfte die klare Rindfleischbrühe, die Lena gebracht hatte, aber niemand rührte das Essen an.
»Es ist schade, wenn die Suppe kalt wird«, sagte Sarah in die Stille. Als sie die abweisenden Gesichter sah, bat sie eindringlich, während sie jedem eine Schale füllte: »Wir werden reichlich Hochzeitsessen wegwerfen müssen, also esst Suppe!«
»Wie konnte das passieren?«, fragte Annabelle in weinerlichem Ton. »Ich habe mir meine Hochzeitsfeier nicht so vorgestellt.«
»Niemand hat erwartet, dass dieser Tag so endet«, versuchte Peter seine Frau zu trösten. Annabelle wandte sich mit wütendem Blick
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