Schwur der Sünderin
schlug.
»Warum glaubst du, dass es derselbe Mann war?«, fragte Peter.
Anna Maria zuckte mit den Schultern. »Der Zufall wäre zu groß, dass es zwei Männer mit dem gleichen Vornamen gibt, die zu Vaters Gefolgsleuten zählen. Kilian war überzeugt, wie er mir sagte, dass ich jemandem gleiche, den er aus vergangener Zeit kennen würde. Allerdings war ihm der Name Hofmeister unbekannt.« Anna Maria überlegte kurz und sagte: »Ja, ich bin mir sicher, dass es ein und derselbe Mann ist.«
Hauser gab sich damit nicht zufrieden. »Wer weiß, wen Kilian in dir gesehen hat. Woher willst du wissen, dass er Joß Fritz kennt?« Zweifelnd zog er die Augenbrauen in die Höhe.
»Er hat die Zeichen, die Vater mir in den Pilgerstab geritzt
hatte, erkannt, und …« – Anna Maria stockte kurz – »seine Schwurfinger haben ihm gefehlt!«
»Dann kann es nur Kilian sein. Unser Kilian Meiger!«, murmelte Gabriel. »Ich dachte, sie hätten ihn aufgeknöpft«, sagte er fragend in Hausers Richtung, der unwissend die Hände hob.
»Was bedeutet das?«, fragte Jakob und blickte verständnislos von einem zum anderen.
»Anna Maria hat Recht!«, sagte Hauser. »Euer Vater ist nicht in die Ferne gepilgert, sondern plant mit Kilian einen neuen Aufstand.«
Hauser konnte sich nicht länger auf seinem Stuhl halten. Er sprang hoch und lief aufgeregt im Zimmer auf und ab.
»Aber das ist doch lächerlich«, mischte sich Peter ein. »Warum sollte Vater in seinem Alter nochmals ein solches Abenteuer wagen? Er könnte tatsächlich dieses Mal auf Wallfahrt gegangen sein. Vielleicht begleitet ihn dieser Kilian.«
Hauser und Gabriel blickten sich an, dann lachten sie prustend los. »Glaub uns, Peter: Dein Vater plant einen neuen Aufstand! Wir kennen ihn besser als ihr, seine Kinder.«
Es dauerte eine Zeitlang, bis sich die Gemüter beruhigt hatten. Als endlich Ruhe herrschte, stand Sarah auf und erklärte: »Was nützt uns ein Held der Bauernaufstände, wenn der arme Veit in einem Verlies eingesperrt ist?« Nachdenklich sinnierte sie: »Ich möchte wissen, warum Ullein ausgerechnet Veit, der kein Hofmeister ist, beschuldigt, ein Werwolf zu sein?« Sie fasste sich müde an die Stirn und murmelte: »Ich muss mich hinlegen. Mir wird das alles zu viel.«
Die Männer blickten Anna Maria fragend an, während Jakob erklärte: »Sarah hat Recht. Warum beschuldigt Ullein ausgerechnet Veit? Wäre es nicht leichter, einen von uns eines anderen Verbrechens zu beschuldigen, wenn er unserer Familie schaden will?«, fragte Jakob. »Oder ist etwas Wahres an seiner Behauptung?«
Anna Maria spürte, wie Übelkeit in ihr hochstieg. Kalter Schweiß lief aus ihren Gesichtsporen, und die Zunge klebte ihr am Gaumen. Als auch die Lippen trocken wurden, griff sie hastig nach dem Glas Wasser, das auf dem Tisch stand, und trank es leer.
»Wirst du krank?«, fragte Peter besorgt. Anna Maria blickte von einem zum anderen und zermarterte sich den Kopf mit der Frage: Wie soll ich es ihnen erklären? Mit dem Handrücken wischte sie sich den Schweiß von der Stirn.
Die Blicke der Männer verfolgten jede ihrer Bewegungen. Anna Maria wusste, dass es Zeit war, Veits Geheimnis zu lüften. Erneut rieb sie sich über das schweißnasse Gesicht. Dann begann sie stockend von Veit und den Wölfen zu berichten.
Sie erzählte von ihrem ersten Zusammentreffen und wie Veit ihr das Leben gerettet hatte. Sie berichtete, dass Veit aus Liebe zu ihr die Einsamkeit des Waldes verlassen und sie von der Burg Nanstein befreit hatte, wo man sie gefangen hielt.
Anna Maria erzählte alles. Erst nachdem sie geendet hatte, blickte sie auf und erschrak. In den Augen der Männer konnte sie blankes Entsetzen erkennen. Die Verachtung, die ihr entgegenschlug, trieb ihr die Tränen in die Augen. Weinend versuchte sie ihren Liebsten zu verteidigen. »Veit ist kein Werwolf, kein Zauberer und auch kein Hexenmeister. Veit ist der Mann, den ich von ganzem Herzen liebe und der unschuldig in Ulleins Fänge geraten ist«, schluchzte sie laut und sah ihre Brüder flehend an.
Friedrich blickte verängstigt zu Peter und Peter zu Jakob.
»Du hast uns das eingebrockt«, beschuldigte Jakob seine Schwester und schaute sie angewidert an. »Weißt du, was das bedeutet? Was das für uns bedeutet? Wenn Veits Leben mit den Wölfen bekannt wird, werden uns alle, die uns schon immer beneidet oder gehasst haben, den Hof über den Köpfen anstecken. Sie werden uns totschlagen, aufhängen oder vierteilen
und keine
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