Schwur des Blutes
witterte, doch sie benötigte ihren Atem für den Spurt. Es befanden sich wenige Besucher im Tiergarten, was aufgrund der immer dramatischer werdenden Ereignisse und des schlechten Wetters kein Wunder darstellte. Dennoch konnte Jonas sie nicht einfach auf den Arm nehmen, um seine vampirische Schnelligkeit auszunutzen, weil er immer wieder kurz stehen blieb und witterte.
„Ich spüre Timothy“, raunte Jonas im Lauf. „Ich weiß weder was er hier will noch wer er wirklich ist. Nyl hat Timothys Gedanken gelesen und er mag ihn nicht.“ Jonas wühlten Sorgen und Ängste auf, die auf Cira überschwappten.
Endlich hielten sie vor einer Sumpflandschaft an. Cira keuchte, ihre Lungen brannten und ihre Beine zitterten. Aber es gab keine Verschnaufpause. Jonas umschlang sie von hinten und sprang mit ihr kopfüber in den Tümpel. Ihr Schrei endete in einem Gurgeln.
Panik überflutete sie. Sie wusste, dass Jonas sie niemals gefährden würde, doch die undurchdringliche Schwärze, die Atemnot und das Brackwasser in ihrem Mund …
Jonas drehte sie herum und lächelte sie an. Schenkte ihr Ruhe. Cira ruderte mit den Armen, die er einfach ergriff und sie an sich zog. Er deutete ihr an, Atem und Wasser rauszulassen. Ihre letzte Luft! Sie tat es und nahm Jonas’ Luft spendenden Kuss entgegen. Cira fühlte, wie sie pfeilschnell durch das düstere Wasser glitten. Sie schloss die Augen, versuchte, ihren raschen Herzschlag zu beruhigen und tippte Jonas an, wenn sie Sauerstoff benötigte. So selten wie möglich, dennoch kam es ihr vor, als tauchten sie eine halbe Ewigkeit.
Cira schnappte gierig nach Luft, als Jonas sie endlich auf steinigen Untergrund hob und aus dem Wasser sprang. Das hallende Plätschern ließ auf eine Unterwassergrotte schließen. Es war zu dunkel, um etwas zu erkennen. Ein dumpfes Klopfen ein wenig entfernt von ihr verriet, dass Jonas die Wände absuchte.
„Fay? Timothy?“ Jonas öffnete eine Tür, die sie nicht einmal gesehen hatte. Warmer Schimmer drang in die Felshöhle. Gott sei Dank. Jonas stand plötzlich neben ihr, ergriff ihre Hand und zog sie mit sich in eine unendlich erscheinende Höhle. Dicke Teppiche dämpften ihre raschen Schritte, ebenso die Wandteppiche und die wundersamen, seidigen Vorhänge, die in allen Farben erstrahlten und wie schwebende Geister aussahen.
Mit einem Ruck blieben sie stehen. Cira riss die Augen vor Ungläubigkeit auf.
Timothy trug eine kleine Frau auf den Armen. Er war nass, musste denselben Weg kurz vor ihnen genommen haben. Das schwarze Kleid der Frau wurde von einem eisblauen Licht beschienen, das sich auf zwei vor Timothy stehende Kinder richtete, bis er herumwirbelte. Seine Augen! Augenblicklich wich Ciras Kraft aus ihrem Körper.
„Timothy, nicht!“, knurrte Jonas und setzte zum Sprung an.
Das Eisblau hüllte Timothy ein. Cira schrie und klammerte sich an Jonas’ Arm fest. Nicht ihre Muskelkraft, sondern ihre Umsicht hielt Jonas zurück.
Timothys Blick richtete sich sofort wieder auf die Jungen. Was geschah hier? Waren das Gestaltwandler? Ihre knabenhaften Gesichter fokussierten starr Timothys Kopf. Cira schnappte nach Luft. Trauer überflutete sie, ihre Sicht verschwamm vor Tränen. Ein Missverständnis. Es musste eines sein.
Cira trat bedacht einen Schritt vor. „Timothy.“ Er wandte sich ihr zu, schien wie die Kinder in einer Art Trance zu stecken. Cira wagte sich noch einen Schritt vor, ignorierte Jonas’ Knurren und seine Hand, die sie zurückhalten wollte. „Timothy, gib nach.“ Zuversicht erfüllte sie. Sie spürte Timothys Herz, seine eigentliche Ruhe hinter der undurchdringlichen Eisschicht. Cira drehte ihm den Rücken zu und sprach zu den Kindern. „Er wird eurer Mutter nichts tun. Lasst ihn los.“ Cira glaubte daran.
Mit einem Schlag verblasste der hellblaue Schimmer um Timothy herum und auch die spürbare Energie erlosch. Timothy brach auf die Knie, schaffte es gerade noch, die zarte Frau behutsam auf einem Teppich abzulegen, dann krümmte er sich vor Schmerz.
Cira überprüfte die Lebensfunktionen der Frau, jeder Handgriff von den Argusaugen der Kinder überwacht. Jonas’ Hand auf ihrer Schulter gab ihr Kraft. Seine Stärke und sein Stolz auf sie überfluteten sie. Dabei wusste Cira kaum, was soeben geschehen war. Sie wandte sich Timothy zu, der sich mühsam in eine Sitzposition aufraffte. „Hauptsache, es ist vorüber“, flüsterte sie und lächelte Timothy an.
„Ich …“ Timothys Stimme versagte. Er sah die Jungen an. „Ich wollte eure
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