Schwur des Blutes
sich geändert. Er … war geändert worden.
Oh ja! Er spürte es. Das Menschlein würde ihm seine Kraft zurückgeben. Es brodelte wie entzündetes Kerosin durch seine Adern. Ja, es mundete! Wie lange hatte er sich in dieser Umgebung von Seegetier ernähren müssen? Nur ein Gedanke hatte ihn monatelang angetrieben, peitschte ihn immer noch, hatte ihn nach der unvorstellbaren Explosion in fast totem Zustand nach Schlammschnecken greifen lassen, sie ausgesaugt, bis er sich kräftig genug gefühlt hatte, um an Land zu kriechen.
Er leckte dem Mädchen über die Bisswunden und drehte ihren Hinterkopf so, dass sie ihn ansehen musste. Eine hellblaue Schleife hielt mit einer Spange ihr Haar aus der Stirn. Die zwei Schlaufen sahen aus wie Flügelchen. Hübsch. Er holte sie aus der Trance. „Erwache.“ Sie blinzelte, hob das Kinn. Bezaubernde braune Augen, keusch und ein wenig verschreckt. Die Arme schien wahrhaftig durcheinander. Er lächelte. „Du darfst mich Veyt nennen, mein Rehkitz. Veyt Constantin, schon einmal von mir gehört? Hm?“ Schließlich hatte seine Familie jahrhundertelang hier gelebt.
Sie schluckte. Ein weiteres Mal, dann schüttelte sie zaghaft den Kopf. Ihre Pupillen schlugen nach rechts und links, ihr Körper zitterte. Sicherlich nicht nur wegen des Blutverlustes. Er war aber auch gierig gewesen. Hätte er noch seine zweite Hand gehabt, würde er ihr nun die Wange entlangstreichen. Ja, das mochten sie. Ob mit Hypnose oder ohne. Sie folgten allesamt seinem Charme oder seiner mächtigen Gabe, verehrten ihn, ob Feldsklaven oder Reinblüter, alle, immer! Sein Griff verstärkte sich, während er den Blick tiefer wandern ließ. Das diffuse Dämmerlicht in der Fischerhütte trübte seinen Sehsinn nicht, obwohl die Schnitte in seinen Netzhäuten noch nicht verheilt waren. Doch vielleicht jetzt, durch das erste weibliche Blut, an das er gelangt war. Ihr Brustbein stach hervor, der Rest lag leider vom T-Shirt verdeckt.
„Wenn ich dich loslassen würde, würdest du weglaufen?“
Er musste grinsen, als sie in ihrem schlauen Köpfchen seine Reaktion bei einem Ja und bei einem Nein durchging. Sie entschied sich für das Kopfschütteln. Er nickte lächelnd. Dabei wusste er, dass sich seine erstarrte Miene marginal veränderte. Er drehte sein Handgelenk, sodass sie den Rücken durchbog. Die Knospen traten unter dem Stoff hervor. Klein, hart, kaum ein Brustansatz. Zu wenig für seinen Geschmack. Er leckte sich die Lippen und ließ sie los. Ihr Hintern sackte auf die Fersen, das Gesicht vor Schreck verzerrt. Als hätte er in die Hände geklatscht, sprang sie plötzlich wie ein aufgescheuchtes Huhn auf, torkelte durch den düsteren Raum, riss die morsche Holztür fast aus den Angeln und stolperte auf die Veranda.
„Steh still!“, sprach er den Befehl und sie gehorchte. Sie gehorchten alle. Hatte er sie einmal in seinem Bann, konnte sich keiner gegen seine Hypnose wehren. Obwohl ihm alles genommen worden war – das nicht.
Veyt keuchte auf, als er die Beinmuskeln anspannte und sich aufrichtete. Er ging einen Schritt, dann fand er sein Gleichgewicht. Dank ihres weiblichen Elixiers. Er überlegte kurz, sie als Proviant auf seine Reise mitzunehmen, doch entschied sich dagegen. Seine neu errungene Kraft würde ausreichen, sich überall mit frischem Blut zu versorgen. Er humpelte auf ihren Rücken zu. Auch dieser sah hübsch aus, wie er so eingerahmt vom Sonnenuntergang eine schwarze Silhouette vor den kargen Bäumen darbot.
„Mein süßes Bambi, du hast etwas vergessen.“ Veyt schob seine Hand auf ihre Schulter und drehte sie herum. Er zog ein Messer aus seinem Gürtel und reichte es ihr. Veyt hatte es bei ihr entdeckt, als sie ihm vom Boden aufhalf, wie jeder brave Spross es tat, wenn jemand Älteres fast bewusstlos auf dem Weg lag. Bestimmt hatte ihr Vater oder ihr großer Bruder ihr das Klappmesser gegeben, weil sie vom Haus der Klavierlehrerin ein nicht ganz so belebtes Stück Straße passieren musste.
Sie nahm es am Holzgriff entgegen. Ihr Gesicht glänzte weißlich, Schweiß rann ihr in die hübschen rehbraunen Augen. Veyt legte seine verstümmelten Finger auf ihre Wange. Zart und weich und warm war sie fraglos ebenso. Doch das spürte er nicht, nicht mehr. Vielleicht würde es wiederkommen … „Geh, mein Kind.“
Sie drehte sich um und ging in die schäbige Fischerhütte.
Er nickte. „Schlaf gut, Bambini.“ Er verschloss hinter ihr die Tür und stöhnte vor Qual auf, als er die Veranda auf den Kiespfad
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