Schwur des Blutes
verkohlt auf der rechten Seite. Die linke, wo er zweifellos gestanden haben musste, hatte das Feuer bereits vernichtet.
Timothy strich zärtlich über Josephines Zeichnung und warf sie auf den züngelnden Berg. Kurz bevor sie das Flammenmeer erreichte, griff er das Bild mit einer raschen Bewegung und steckte es ein. Eine Weile später schaufelte er die zusammengesunkene Asche mit Schotter zu, duschte und lief los. Er würde unter dem Opera House anfangen, nach den Fürsten zu suchen, dort, wohin sie Jonas nach seinem Vergehen bestellt hatten.
~~
Der Rucksack zwang Samantha beinahe in die Knie, als sie ihn festschnallte. Sie hatte nur das Nötigste dabei, weniger ging nicht. Aber genau das war es, was sie jetzt brauchte, um sich lebendig zu fühlen, zu wissen, dass sie noch auf der Erde weilte und Gewicht ihre Muskeln forderte. Die BMW empfing ihren Schoß mit weichem Leder. Sie klemmte die Oberschenkel fest an die Karosserie und beugte sich nach vorn, während das Tor sich öffnete und sie im Leerlauf Gas gab. Das Rattern des Garagentors verklang, sie hob die Lider und hatte ihre Mitte wiedergefunden. Das schwere Motorrad stauchte durch, als sie die Auffahrt hinaufschoss und eine Spur umsichtiger als zuvor auf die Straße bog. Nur raus aus dem Verkehr, rein in die Wildnis und zu Fuß weiter in die Einsamkeit. Sam fädelte sich brav ein und ließ sich von den Ampeln nicht aus der Ruhe bringen. Sie war ja kein Extremfall … nun ja, vielleicht doch. Ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus, ohne dass sie es zu stoppen vermochte.
„Hey!“
Sam blickte nach rechts. Touristen-Cabrio, Touristen-Kleidung, Touristen-Sonnenbrand, Touristen-Anmache. Der Blick des jungen Mannes am Steuer wanderte langsam an ihren Beinen empor und blieb an ihrem Helm hängen. Sie nickte ihm zu. Man war ja höflich zu Touris. Seine Miene sprach Bände, die allesamt denselben Kontext beinhalteten: Urlaub – Single – Sex. Damit er nicht auch noch auf die Idee kam, sie nach einem Kaffee oder einem Schäferstündchen zu fragen, drehte sie am Gashebel. Nun konnte sie jederzeit so tun, als hörte sie ihn nicht. Das Röhren des Peugeotmotors vernahm sie trotzdem. Die anderen drei Typen im Wagen johlten, klopften dem Fahrer auf die Schulter. Sie sah nicht hin, dennoch meinte sie, den Straßenköterblonden auf dem Rücksitz mit den Händen einen Sexakt nachzuahmen zu sehen. Sam würdigte sie keines Blickes mehr. Ihre Finger zuckten nervös am Gas. Himmel, wollte diese Ampelphase ihr die gerade erlangte gute Laune verderben?
Grün. Sam nahm Gas weg. Der Cabriofahrer trat das Gaspedal voll durch.
Sam grinste, sah dem davonpreschenden Mietauto hinterher und zuckelte im Normaltempo los. Gleich an der nächsten Ampel würden sie geblitzt werden.
Ein Krachen, das jeden im Umkreis von einigen Dutzend Yards zusammenzucken und in Deckung gehen ließ, lenkte ihre Aufmerksamkeit nach rechts. Ein Transporter hatte den Peugeot in rascher Fahrt in die Seite gerammt, hob das leichte Cabrio mit der Schnauze an und stieß es vor sich her. Eine Person wirbelte wie eine Stoffpuppe durch die Luft. Sam entschied in Sekundenbruchteilen, Gas zu geben, um niemanden zu gefährden. Der Mann schlug vor ihr auf. Sie riss den Lenker nach links, umrundete ihn. Mit größter Mühe brachte sie die BMW aus dem Schlingern heraus und auf der Fahrbahn zum Stillstand. Sie wandte sich um. Eine blaue Geländelimousine bremste, die Reifen quietschten, Qualm und Schreie vermischten sich. Neben ihrem Bein blieb der 7-Sitzer-Isuzu mit einem Ruck stehen. Sam schnappte nach Atem, schnallte den Helm ab und warf ihn mit dem Rucksack auf den Mittelstreifen.
Sie atmete tief durch, dann schwang sie sich aus dem Sattel und lief um den blauen SUV herum. Das Gekreische und die Menschen, die zusammenliefen, bedeuteten nichts Gutes. Sie stoppte hinter dem Isuzu und drückte sich eine Hand vor den Mund, um nicht ebenfalls zu schreien. Chris!
Ein junger Mann, dunkelblond, blutüberströmt. Nein, die Haare waren zu kurz, die Kleidung … Sam biss sich in den Handballen, um wieder klar zu werden. Sie tastete in ihrer Jackentasche. Shit!
„Jemand muss einen Krankenwagen rufen, sofort!“ Der SUV-Fahrer stand unter Schock. Er hatte den Burschen überfahren. Eine ältere Frau befand sich in Hörweite. Sam zeigte auf sie. Sie wusste, dass alle dachten, ein anderer würde schon telefonieren. „Sie! Haben Sie ein Handy? Rufen sie auf der Stelle 911 an.“
Sam blickte sich um. Einige Leute
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