Schwur des Blutes
anders, als ihnen gehörig vor
den Kopf zu stoßen. „Da müsst ihr allein durch. Ich muss weg.“
„Liegt’s an mir?“, brummte Ny’lane und neigte sich fragend und gleichsam bedrohlich in seine Richtung. „Bilde dir bloß nicht zu viel ein, ‚Silver Angel‘.“
„Ich hasse dich.“
Timothy lächelte. „Dann sind wir schon zu zweit.“
Seine entspannte Mimik aufrecht haltend sah er den breiten Rücken hinterher, die nacheinander dem Trampelpfad aus dem
Urwald folgten. Mit den Fingerspitzen tippte er nervös auf dem Diamanten herum. Er musste es wissen und räusperte sich.
„Jonas, ich habe gehört, du weißt, wo man die Fürsten finden kann?“
Die beiden großen Vampire drehten sich synchron langsam zu ihm um, als hätte er sie als schwule Hurensöhne bezeichnet.
Nyl stand bereits unter dem Torbogen, der aus dem Garten führte und es sah aus, als wären die Ranken sein langes, grünes
Haar, in dem rote Rosenköpfe steckten.
„Du hast von meiner Verurteilung vernommen?“
„Nur Gerüchte, wie das oft so ist“, bestätigte Timothy.
„Was willst du mit der Info?“
„Ich benötige einen Rat, den nur sie mir geben können. Vermute ich.“ Mehr würde er nicht sagen. Wenn Jonas ihm nicht
helfen wollte, musste er andere Wege gehen.
„Sie bestellten mich mental zum Opera House in der Innenstadt San Franciscos. Ehrlich gesagt gehorchte ich meinen Instinkten oder folgte einer imaginären Landkarte, ohne sie tatsächlich zu lesen. Ich entsinne mich an die unterirdischen Gänge,
die von der Feuersbrust 1906 verkohlt an ausgeräucherte Pestschächte erinnerten. Ich stieg in einen uralten Aufzug und fuhr
Richtung Erdmittelpunkt … Alles Weitere ist wie ein vager, düsterer Traum, an den zu erinnern man sich nicht in der Lage
befindet.“
Timothy nickte. Das war doch schon eine ziemlich genaue Beschreibung.
„Du wurdest beeinflusst.“
Er und Jonas blickten Nyl an. Ny’lane wandte sich den Rosenblüten zu, als würde er zu ihnen sprechen. „Der Rat der Wesen will und wird niemals gefunden werden, sofern er es nicht für nötig erachtet. Keiner kann die Fürsten aufspüren, der
nicht von ihnen bestellt worden ist. Du wirst alles wie von Jonas beschrieben vorfinden, aber nie ans Ziel gelangen.“ Er lachte bitter.
Timothy ließ Ny’lanes Erklärung sacken. Beobachtet hatte er allerdings Jonas, dem es ins Gesicht gemeißelt war, dass er
nicht geahnt hatte, dass der ‚Silver Angel‘ etwas über den Gerichtshof der Homo animal wusste.
„Danke.“ Das Wort kam ihm nicht einmal sarkastisch über die Lippen. Alles, was er in Erfahrung bringen konnte, würde
ihm weiterhelfen. Falls es ihm nicht vergönnt war, die Fürsten ausfindig zu machen, musste er eben dafür sorgen, dass sie ihn
fanden. Nyl lachte herzhaft auf, als hätte er seine Gedanken gehört, verschwand durch den Torbogen und kurz danach hörte
er das Motorrad donnernd anspringen.
Jonas suchte seinen Blick. „Mach keinen Scheiß. Und melde dich, wenn du mich brauchst.“
Timothy nickte, wartete, bis auch Jonas mit dem Mercedes davongebraust war und ging ins Wohnzimmer. Er marschierte
auf und ab, rieb sich das raue Kinn. Die Scherben knackten unter seinen besten Schuhen, die er noch von heute früh trug.
Klar, er würde Jonas um Hilfe bitten und sein Schwager sollte darüber hinaus gleich den Rest seiner Familie und seine
Freunde mitbringen, damit sich das Blutbad richtig lohnte.
„Na, na, du hast dich doch ganz gut unter Kontrolle.“
„Fick dich, Ethos.“
„Okay, ich nehm’s zurück.“
Timothy schleppte in Windeseile Josephines Tagebücher auf den Schotter des Vorhofes, warf die persönlichen Bilder samt
Rahmen auf den Haufen und zündete ihn ohne zu zögern an. Die Flammen fraßen sich durch das alte Papier, loderten, griffen von einem Buchband zum nächsten. Hitze schlug ihm entgegen, im Nu stand alles in Brand. Asche stieg mit grauem Qualm in die Luft, erfüllt von vernichtendem Knistern. Er zog das zerknautschte Handy aus der Tasche und schmiss es in die Flammen. Ein Blatt schwebte wie auf Luftkissen empor, wippte hin und her, als würde es auf Wellen tanzen und senkte sich neben dem Feuer herab. Er ergriff es und schüttelte die Glut ab. Die Ecken und eine Hälfte fehlten wie bei einer uralten Schatzkarte. Die Buchseite sah aus wie Pergament, die gedruckten Buchstaben dahinter zeugten von einer lateinischen Bibel. Darüber, mit Bleistift gezeichnet, seine Mutter und seine Schwester. Sogar seinen Vater erkannte er noch ein wenig
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