Schwur des Blutes
gab ein Leben nach dem Tod. Das war beruhigend und sie erinnerte sich daran, wenn sie meinte, vor Angst durchdrehen zu müssen.
„Fahren wir.“ Er küsste sanft ihre Nasenspitze, öffnete ihr die Beifahrertür und schob sie ins Wageninnere.
Fast vermutete sie, dass er sie auch noch anschnallte, indes saß er am Lenkrad, bevor sie zu blinzeln vermochte und sie brausten die gewundene Einfahrt hinab. Die beiden Gargoyles thronten auf den schwarzen Marmorsäulen beidseits des hohen, zweiflügeligen Gittertores. Cira lächelte und hob die Hand zum Gruß. Sie sah keinerlei Reaktion, aber sie verspürte ein Lächeln. Das klang absurd, jedoch war sie längst über das Stadium hinaus, mysteriöse Geschehnisse als unmöglich zu betrachten. Elassarius war ihr ans Herz gewachsen, er hatte bei ihr einen Stein im Brett.
Sie fuhren zu Ny’lane, um auf seiner Jacht auf geschütztem Terrain zu übernachten – jeden Tag woanders, hatte Jonas angeordnet. Die vergangene Nacht hatten sie bei Greg im Krankenhaus gewacht. Dementsprechend erschlagen fühlte sie sich jetzt, doch sie freute sich auch, Ny’lane und sein Zuhause wiederzusehen. Die schneeweiße, 70 Yards lange Motorjacht flößte jedem, der sie sah, einen Heidenrespekt ein. Die Lady entsprach einem Traum in Schwarz-Silber-Weiß. Kristall und Glas auf erlesenem alabasterfarbenem Marmor, Götterstatuen neben deckenhohen Grünpflanzen. Damals kamen ihr die Worte ‚zeitlose Eleganz’ in den Sinn. Sie erinnerte sich und lächelte, denn sie beschrieben ebenso den Eigentümer, den geheimnisvollen Schwarzen, der wie ein Schatten lebte und auftauchte, wenn man ihn brauchte. Ein wahrer Freund eben. Ein Frauenheld, dessen Charme bei ihr jedoch an ihrer Liebe zu Jonas verpuffte. Imposant und sexy fand sie ihn trotzdem. Zum Glück umfasste die Länge der Jacht fast drei Basketballfelder, also groß genug, um sich einzureden, dass Nyl am anderen Ende nicht zuhörte, falls sie sich liebten, als gäbe es kein Morgen.
„Was amüsiert dich?“
Cira lachte ertappt auf. Jonas stieg plötzlich brutal auf die Bremse. Bevor Cira nach vorn geschleudert werden konnte, hielt Jonas’ kräftiger Arm sie an den Sitz gedrückt. Cira holte vor Schreck tief Luft und langte reflexartig zum Türgriff.
„Nein. Bleib.“
Augenblicklich kroch Cira ein frostiges Kribbeln über die Haut. Jonas’ Stimme klang eisig, sie jagte ihr Angst ein. Sie sah erst ihn an, dann folgte sie seinem Blick durch die Frontscheibe. Fahrzeug stand hinter Fahrzeug, ein unerwarteter Stau. Vermutlich ein Unfall. Nichts Besonderes. Doch die Situation spiegelte eine seltsame Hektik wider. Menschen liefen umher, gestikulierten wild. Sie vertraute Jonas’ feinem Gespür. „Was?“, flüsterte sie.
Jonas atmete tief aus. Er schnallte sie ab und zog ihren Oberkörper zu sich heran. Als ihr Ohr an seiner Schulter ruhte, konnte sie an den Autos vorbei auf zwei Körper sehen.
„Ein Nesuferit.“
Cira runzelte die Augenbrauen und drehte den Kopf, um Jonas anzusehen. „Ich dachte, du hättest mir von allen Wesen erzählt. Was ist das? Warum tut keiner was?“
„Es sind zu viele Menschen hier, ich kann nicht eingreifen. Sie würden mich sehen. Wo soll ich mit ihm hin? Es würde einen Kampf geben und …“
„Du müsstest mich allein im Auto lassen.“ Cira verschränkte die Arme unter der Brust. Himmelherrgott, was für eine Scheiße! Cira riss die Tür auf und stolperte aus dem Mercedes. Keine Sekunde später stand Jonas hinter ihr und packte sie am Arm.
„Nicht …“
„Komm.“
„Verflucht!“
Cira zog Jonas mit, indem sie einfach vorwärtsging, sich durch die verkeilten Wagen und verängstigten Autofahrer einen Weg bahnte. Jonas klebte an ihr wie eine zweite Haut, was ihr Mut gab. Denn mutig fühlte sie sich ganz und gar nicht. Aber Jonas konnte bestimmt helfen und sie wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass Schlimmes geschah. Jonas kannte sie, malte sich aus, was sie dachte, weil er wahrnahm, was sie empfand, deshalb ließ er ihr ihren Willen.
„Stopp, das reicht.“
Zwei Autolängen vor dem schwarzen Umhang, der über der kleinen Person kauerte und von einer gaffenden Menschenmenge umringt war, hielt Jonas sie zurück.
„Tu etwas“, hauchte Cira, den Blick auf das Geschehen gerichtet.
„Es ist bereits tot.“
„Es …?“
Cira spürte, wie Jonas’ Gefühle rotierten, zwischen der Angst um sie und dem Drang, gegen die Widerlichkeit vorzugehen. Sie kannte seinen Beschluss in dem Moment, in dem er sich entschied. Mit
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