Schwur des Blutes
zusammen, begann zu laufen und folgte seinem Herzen.
20. April 2011
S amantha hob die Spitze der langen Stange aus der Öse, zog sie aus dem Zeltstoff heraus und klappte sie in kleine Teile zusammen. Der Abbau dauerte keine fünf Minuten und sie stopfte das Einmannzelt in Größe eines Radioweckers in eine Seitentasche ihres Rucksacks.
Sie setzte sich auf einen Baumstumpf und goss kochendes Wasser in eine bereitgestellte Tasse. Ihre Finger umschlossen das warme Plastik und sie genoss den ersten heißen Schluck Kaffee mit geschlossenen Lidern. Die Kühle der Nacht hatte ihr in dem Daunenschlafsack nichts ausgemacht, doch jetzt fröstelte sie. Die Sonne versteckte sich noch hinter den dichten Baumwipfeln, bestimmt sogar noch hinter dem Berg, den sie gestern in Angriff genommen hatte. Zeit hatte ihre Bedeutung verloren, seitdem Sam ihr Ziel vor Augen hatte. Deshalb blickte sie nicht auf die Uhr, sondern folgte ihrem inneren Bedürfnis, das sie nach wenigen Stunden Schlaf geweckt hatte. Zweifel ließ sie nicht in ihre Gedanken einfließen, ebenso verdrängte sie ihren unrühmlichen Abgang vom Vorabend.
Sie hatte nicht vor, sich daran zu erinnern, wie ein zartes Kribbeln über ihre Finger in ihre Nervenbahnen gespeist worden war, als Timothy von dem Tod seines Vaters erzählte und sie ihn mitfühlend berührte. Wie seine unergründlichen, azurblauen Augen leuchteten, die stets ein wenig traurig schauten und sie auf angenehme Weise durchbohrten, als würden sie sich eine Seele teilen. Wie sich sein überaus anziehender Oberkörper an ihren Rücken schmiegte, die Oberschenkel an ihren Hintern, die Muskeln, die kraftvoll unter seiner Kleidung arbeiteten. Sie wollte nicht darüber nachdenken, dass ihr Herzschlag an unmöglichen Stellen gepocht hatte, als seine starken Hände einen Knopf seines Hemdes geöffnet hatten. Beim zweiten, als die gebräunte Haut seiner imposanten Brustmuskeln sich andeutete, begann ihr Leib zu zittern, als litte sie unter Entzug und nur sein Eindringen in ihren Körper könnte sie von dieser süßen Qual befreien. Ihre Erinnerungen sprangen von einer eigentlich unbedeutenden Berührung zu einem Blick, einem Wort, einer Geste, zu seiner Umsicht und Großzügigkeit. Bis sie sich erneut unsagbar schlecht vorkam, weil sie ihn abserviert und stehen gelassen hatte.
Aber Himmel, sie hatte sich wirklich erschrocken, als seine Reißzähne plötzlich im Mondlicht aufblitzten. Sie hatte eher Angst vor der Situation empfunden und vor ihrer Verwirrtheit, den Gedanken, die auf sie einstürzten, als vor ihm. Sie schämte sich, doch Reißaus war das Einzige, das ihr in dem Moment in den Sinn gekommen war.
Sam nahm rasch einen Schluck, doch der rutschte nur zögerlich durch ihren zu engen Hals. Sie kniff die Scheidenmuskeln zusammen und spürte, wie empfindsam sie war. So sehr, dass sie sich schütteln musste, um die wohlige Gänsehaut loszuwerden.
Jeez! Sie wollte nicht an Timothy denken und tat es trotzdem. Aber wer könnte es ihr verdenken? Er war umwerfend. Sie seufzte. Dagegen half nur Bewegung. Sie räumte den Gaskocher weg, zurrte das Gepäck am Rucksack fest und stapfte durchs Unterholz auf den schmalen Trampelpfad, der sie Richtung Half Dome bringen würde. Die Morgendämmerung verschaffte ihr ausreichend Licht, um nicht ständig über die Wurzeln der Kiefern und Zedern zu stolpern. Sie konzentrierte sich auf das schwierige Gelände, um nicht von Timothy zu träumen, doch kaum hatte sie dies zuwege gebracht, blitzte das Bild ihres Bruders Chris auf, wie er zerschmettert am Fuße des vor ihr aufragenden Berges lag. Sam ignorierte ihre murrenden Waden- und Oberschenkelmuskeln, die meinten, sie hätten gestern genug gearbeitet, und legte noch einen Zahn zu.
Um die Mittagszeit ließ sie sich am Rande eines Flusses nieder. Laue Brisen kühlten ihre feuchten Wangen. Ihre Kleidung konnte sie auswringen, ihre Beine zitterten wie Presslufthammer und ihr Rücken schmerzte, aber ihr Kopf dachte klar.
In diesen Teil des Yosemite-Nationalparks verirrten sich höchstens Rotluchse, Skunke und Schwarzbären, deshalb hatten Chris und sie sich diese Strecke ausgesucht. Anspruchsvoll, menschenleer, außergewöhnlich – sieben Tage ‚ExtremE‘, vorbei an spektakulären Wasserfällen bis hinauf in den dramatischen Tanaya Canyon. Der Höhepunkt der Woche, das Erklimmen der senkrechten Nordwestflanke des Half Domes oberhalb des Mirror Lakes.
Sam zog sich bis auf den Slip aus, wusch alles in dem Gebirgswasser, das auf
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