Schwur des Blutes
sich hin, bis ein euphorisches „Yes!“ das Knurren des Pick-up-Motors übertönte. Ny’lane bog plötzlich nicht mehr nach rechts und links ab, sondern sauste über eine Kreuzung hinweg, sodass der Wagen zeitweise vom Boden abhob und hart aufschlug. Ein Blick verriet Jonas, dass Nyl Joes Gedankenmuster gefunden hatte und nun vorausahnte, wo dieser hinwollte. Falls Joe überhaupt wusste, wohin er fuhr. Das ganze Hin und Her erweckte einen ziemlich undurchdachten, wenn nicht irren Eindruck.
Nyl stoppte seinen Pick-up im Sichtschutz eines parkenden Kleinlasters und schloss die Augen. Jonas sah sich um, suchte nach dem Sportwagen, einem Audi R8, vermutlich mit Dealerware erkauft.
Ny’lane trat das Bremspedal und gab Gas. Die Reifen qualmten. Mit einem extremen Ruck schoss der Silverado nach vorn. Joe wich ihnen im letzten Moment aus. Das blaugrüne Geschoss verfehlte die Auffahrt zur Schnellstraße, brach durch eine Leitplanke und rutschte über ein Grasstück auf die Nebenstraße hinunter. Nun hingen sie direkt am Heck dieses Arschlochs.
„Fuck noch mal!“, machte Jonas seinem Ärger Luft. Neben Joe saß eine Frau auf dem Beifahrersitz. Blondes, langes Haar lag wirr über der Nackenstütze. Ihrer Statur nach war sie jung. Seine Tochter?
Nyl versetzte dem Audi einen kräftigen Stoß mit der hohen Truckfront, doch dann hängte Joe sie auf der geraden Strecke ab, gewann immer mehr Vorsprung. Just als Jonas Nyl nach seinem Plan fragen wollte, schälten sich die Umrisse der nebelverhangenen Berge aus dem Dunst. Die Landstraße führte durch ein Tal, verengte sich zu einer einspurigen Fahrbahn und schlängelte sich einen Hang hinauf.
Jonas entwich ein triumphierendes Knurren. Sie hatten das Schwein bei den Eiern.
In den Serpentinen holten sie auf. Nyls Fahrweise schleuderte sie wie Puppen herum. Immer wieder blitzte das Blaugrün vor ihnen durch die Bäume, die die enge Straße flankierten. In einem Dorf musste Nyl schlagartig einer Fußgängerin ausweichen. Sie durchbrachen einen Holzstall, Hühner flatterten umher, Stroh nahm ihnen kurzfristig die Sicht. Der Wagen holperte über einen matschigen Vorplatz, riss das Gatter mit und schlingerte zurück auf die Fahrspur.
Lange Zeit rasten sie bergauf, Kurve um Kurve, aber der Audi blieb außer Sichtweite. Nach einem holprigen Steilstück hatten sie Joe plötzlich eingeholt. Nyl ließ es sich nicht nehmen, dem Schlitten mit der Stoßstange einen seitlichen Kick zu verpassen, sodass der Sportwagen wie auf Glatteis ausbrach. Joe schrammte die Leitplanke, dann auf der gegenüberliegenden Seite den aufragenden Berghang, schaffte es aber, sein Fahrzeug unter Kontrolle zu bringen. Im nächsten Augenblick musste Joe wegen eines entgegenkommenden Autos abrupt auf die Bremse treten. Nyls Grinsen verriet, dass er den Gegenverkehr im Geiste hatte kommen sehen. Er hatte Abstand gehalten und knallte dem leichteren Zweisitzer nun mit einem kräftigen Rums schräg von hinten aufs Heck. Dieser drehte sich wie von einem Tornado erfasst. Joe beschleunigte, aber die Räder griffen auf dem Schotter nicht. Der Wagen rutschte seitlich weg, das Mädchen schrie. Joe kurbelte wie wild, doch es war zu spät. Die Fahrzeugschnauze durchbrach lockeres Gestrüpp und die Planke.
Bevor der Silverado Schottersplitter spritzend zum Stehen kam, katapultierte sich Jonas mit einem kräftigen Absprung wie ein Pfeil durch die Frontscheibe und packte mit verdrehten Händen das Heck des Fahrgestells von unten. Er bremste den Sportwagen, doch das Gewicht zog ihn über den Schotter der Fahrbahnausbuchtung. Scherben stachen ihm ins Gesicht. Er biss die Zähne zusammen, stemmte sich mit all seiner Körperkraft gegen die ziehende Last des Wagens und brachte ihn zum Stillstand. Die Hinterreifen lagen noch über der Kante zum Abbruch. Der vordere Teil des Autos hing über dem Steilhang, der in ein weit unterhalb liegendes, bewaldetes Tal abfiel.
„Shit“, fluchte Jonas. Zwei Tonnen überstiegen seine Kraft eindeutig. Sein Körper zitterte, seine Schuhsohlen rutschten auf den Steinchen. Die Aktion in der Haltebucht hatte nur Sekunden gedauert. Er konnte kein Wort hervorbringen, alles würde die Anspannung aus seinen Armen nehmen. Aber Nyl wusste auch so, was zu tun war. Und er ging ohne Zögern ans Werk.
Ein schwarzer Mantel landete in einem Satz auf dem senkrecht hängenden Audidach. Jonas würgte wegen Nyls zusätzlichen Gewichts. Ny’lane schlug die Seitenscheibe ein und zog den leblosen Leib der Blonden aus dem
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