Science Fiction Almanach 1981
segnen.“
Amanda kniete an Cristovals Seite vor dem Altar in dem stillen Tempel, während ihr Vater die Worte der Zeremonie über ihnen sprach und ihre Familie zusah. Es würde kein Ritual geben, kein Festmahl, keine Feier. Nichts war, wie sie es sich in ihren Träumen vorgestellt hatte … Aber Träume vergehen für immer. Sie erinnerte sich, wie lange es her war, seit sie im Tempel gebetet hatte; es war zu weit, um in die Stadt zu laufen, auch wollte sie sich nicht den starrenden Blicken und dem Getuschel hinter ihrem Rücken aussetzen. Ohne Emotionen betrachtete sie den leuchtenden Regenb o gen, den das Licht durch das gefärbte Glas der Fenster proj i zierte.
Und dann folgte sie ihrem Gemahl nach Hause. Mit ni e dergeschlagenen Augen ging sie zwei Schritte hinter ihm.
Er fing Fische im Fluß für ihr Hochzeitsmahl, während sie am Webstuhl das neue Stück Tuch fertigstellte und sich bemühte, sich an die Pflichten einer guten Ehefrau zu eri n nern. Still, geduldig, gehorsam … bisher war sie noch keines von alldem zu dem Fremden-Ehemann gewesen. Nun aber mußte sie ihn versöhnlich stimmen und lernen, das Beste daraus zu machen.
Doch als der Abend verstrich, spürte sie, wie sein Ärger angesichts ihrer Unterwürfigkeit wuchs, und da sie das nicht verstand, bemühte sie sich nur um so mehr; sie fühlte, wie ihre Verzweiflung und ihr Widerwille wuchsen.
„Verdammt, Amanda, was ist los mit dir!“
Sie sah demütig zu ihm auf. „Vergib mir, mein Gemahl … habe ich deinen Unwillen erregt?“
„Ja.“ Stirnrunzelnd betrachtete er sie von seinem Stuhl am Tisch. „Was, zur Hölle, soll diese stumme Behandlung bedeuten? Und warum bist du heute nachmittag nicht neben mir gelaufen?“ Unbewußt bedeckte eine Hand seine Wange. „Schämst du dich so sehr, mit mir verheiratet zu sein?“ „Nein!“ Tränen der Verzweiflung traten ihr in die Augen. „Nein … du hast mich in den Augen meiner Familie großa r tig geehrt. Doch es geziemt sich für eine Frau, sich einem Mann zu fügen, in Worten und Taten, in allen Dingen.“
„Selbst wenn er im Unrecht ist?“
„Ja.“ Ihre Hände rangen den Stoff ihres Kleides. „Aber natürlich ist ein Mann niemals im Unrecht.“
„Mutter Gottes, Amanda – das glaubst du doch hoffen t lich nicht?“ Er sah sie an. „Ich bin ein Mann. Und bis zum heutigen Tag habe ich eine Menge Fehler gemacht, und du hast dich nicht gescheut, sie mich wissen zu lassen.“
„Das … das tut mir leid. Das lag nur daran, daß ich schon seit so langer Zeit allein lebe … aber ich werde mich be s sern. Ich möchte dir eine gute Ehefrau sein.“ Eine Träne brannte auf ihrer Wange und wurde von ihrem Schleier au f gesogen.
„Das kannst du, indem du einfach so bleibst, wie du warst. Tu was du willst, sprich, wenn du Lust dazu hast. Richte dich nicht nach mir! Dazu fehlt mir die Geduld. Ich glaube … ich glaube, auch ich habe zu lange allein gelebt, Amanda … und ich möchte meine Gepflogenheiten nicht ändern müssen. Daher erwarte ich von dir auch nicht, daß du dies tust. Wir leben lediglich im selben Raum, das ist alles. Laß uns das so schmerzlos wie möglich tun.“
„Wenn dies dein Wunsch ist, mein Gemahl …“
„Amanda!“ Sein Ärger verletzte sie. „Nichts von diesem ‚mein Gemahl’, ‚meine Gemahlin’. Nur Cristovão und Amanda. Und in Zukunft gehst du neben mir, nicht hinter mir; ich kam mir vor, als besäße ich einen Diener … einen Sklaven …“ Er rieb sich den Kopf und sah sich im Raum um.
„Aber das ist so Sitte; jede Frau folgt ihrem Ehemann …“ Sie fühlte eine unsagbare Erleichterung, die ihre verkramp f ten Muskeln lockerte.
„Deine Schwester Teresa tut das nicht.“
„Sie ist verkrüppelt. Jose muß ihr beim Gehen helfen.“
„Sie macht aus der Not eine Tugend. Ich glaube nicht, daß er es nur darum zuläßt. Ich glaube, es ist, weil er sie n e ben sich will.“
Amanda rieb sich die Augen, erstaunt, verblüfft. „Aber … aber, du und ich, die Leute würden … uns auslachen.“
„Und wenn schon? Nach einer Weile werden sie übe r haupt keine Notiz mehr von uns nehmen.“ Er stand auf und näherte sich ihr. Ihr Herz schlug rascher. „Und der Schleier …“
Entsetzt wich sie vor ihm zurück. „Würdest du mich wirklich so demütigen, vor allen Männern der Stadt …?“
„Nein …“ Er griff nach ihrem Arm. „Nein, Amanda. Aber in unserem Heim kannst du mich doch dein Gesicht sehen lassen, oder nicht? Du bist schließlich
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