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Science Fiction Almanach 1981

Science Fiction Almanach 1981

Titel: Science Fiction Almanach 1981 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Cristoval angelte und bearbeitete die Felder, sie wob und kümmerte sich um die Kräuter in ihrem kleinen Garten; die Arbeit hörte wirklich nie auf, doch nun erfüllte sie sie mit Hoffnung und Stolz, nicht mit hoffnung s loser Verzweiflung. In der Nacht lag sie nicht länger schla f los und hörte die Mitternachtsglocken, sondern träumte sanft und leicht. Und wenn sie manchmal in ihren Träumen ein Gesicht sah und danach griff und es niemals vergessen konnte, so wußte sie, ihr Verlust war nur gering im Ve r gleich zu dem ihres Gemahls, in seinem Bemühen um die Dinge, an die er sich vielleicht niemals mehr würde erinnern können. Er war ein aufmerksamer und zufriedenstellender Liebhaber; er brachte zumindest ihrem Körper Frieden und Erfüllung, wenn nicht ihrer Seele.
    Die plötzlichen Anfälle alptraumgequälten Schlafes, die ihn durch die verschlossenen Türen seines Verstandes füh r ten, wo er Zeuge seiner vergessenen Vergangenheit wurde, waren immer seltener geworden. Sein Haar wuchs an den Rändern seiner Wunde schlohweiß. Als die Träume ve r schwanden, schien auch sein Interesse an ihnen zu ve r schwinden, und er wurde nicht mehr böse, wenn sie ihm D e tails nicht beschreiben konnte. Die Projekte und Probleme seines neuen Lebens ließen ihm wenig Raum, um an sein altes zu denken.
    Aber als er die Erinnerung nicht mehr mit Gewalt herbe i zwang, begannen die Bruchstücke und Fragmente seiner Vergangenheit immer häufiger ungebeten an die Oberfläche seines Verstandes zu steigen. Eine seltene Lebhaftigkeit e r füllte sie beide, wenn er sich an einen Ort, den er besucht hatte, erinnerte und ihr diese kurzen, grellen Blitze jener g e sehenen Wunder beschrieb: einen Wald aus Bäumen und Sträuchern, der so dicht wuchs, daß er sich mit einer Mach e te den Weg hatte freischlagen müssen, um eine zerbrochene Mauer aus schimmerndem Glas zu finden, an der Weinreben wuchsen, über und über mit Blüten behangen, die von den Farben der Dämmerung noch verschönt wurden … eine ze r störte Stadt, gefüllt mit Skeletten, die sich über eine bauml o se Ebene erhob, unter einem metallischen Himmel … einen Wind, so bitterkalt, daß der Regen gefror und in klirrenden Flocken vom Himmel fiel … der Schatten eines schon lange toten Mannes, durch einen uralten Zauber für immer auf e i ner Gebäudewand gefangen …
    Er sprach nur von der Erinnerung an die Suche nach den seltsamen und fremdartigen Ruinen der „nördlichen Hem i sphäre“. Er schien sich niemals zu fragen, ob jemand nach ihm suchen könnte oder ihn erwartete, oder um ihn trauerte. Sie jedoch fragte sich, ob er es vorzog, ihr nichts von einer Frau, einer Geliebten oder Freunden zu erzählen, oder ob es wirklich niemanden gab, an den er sich erinnern wollte. Am Anfang hatte er nur selten mit ihr über Dinge gesprochen, die sie nicht direkt betrafen; statt dessen hatte er mit sich selbst murmelnd geredet und sich offensichtlich auch selbst geantwortet. Langsam kam sie dahinter, daß er das nicht tat, weil er dachte, als Frau hätte sie nichts zu sagen, sondern weil er irgendwie vollständig in sich selbst zurückgezogen lebte – so als lebten zwei Männer hinter seinen Augen. Vie l leicht, dachte sie, waren da wirklich zwei Männer, der alte und der neue.
    Doch seine Selbstgespräche verschlimmerten sich, wie auch ihre eigenen eingefleischten Gewohnheiten sich z u nächst verschlimmert hatten, und so begann sie ihm star r köpfig zu antworten und klopfte so an die Schale seiner Ei n samkeit. Und im Laufe der Zeit mußte er, wie auch sie, le r nen, daß es auch anders ging. So begann er mit ihr zu reden und wurde so zu einem wirklichen Gefährten ihrer einsamen Tage, nicht nur zu einem stummen Mitbewohner ihres Ha u ses.
    Der Frühling wurde zum Sommer, und danach wich die Sommerhitze erneut dem Herbst. Amanda ließ sich treiben von der Flut ungezählter Tage, gedankenlos und ohne Fr a gen. Eines Tages schließlich verließ sie den Marktplatz in der Hitze des Nachmittags und folgte langsam der kurve n reichen Straße, vorbei an den verfallenen Häusern. Die Se e winde bliesen heftig und brachten einen Geschmack nach Tang und Salz mit sich, sie fegten über das Land und bauschten ihre Kleider auf. Sie war ärmer um ein Stück Stoff, reicher aber um einen Korb voll Früchte und Käse, ein Rasiermesser und ein neues Paar lederner Sandalen für Cr i stoval … und einen Armreif aus Kupfer und bunten Steinen. Sie sah hinunter auf ihr Handgelenk, das so viele

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