Science Fiction Almanach 1981
Paul Marlowe fast vier Jahre lang in Gesellschaft seiner „Frau“. Trotzdem lernte er sie niemals kennen. Als Psychiater hätte er gedacht, die absolute Einsamkeit (die Paare sind abwechselnd im Tiefkühlschlaf) eines langen Raumflugs müßte zwei Menschen fast zwangsläufig zusa m menführen. Aber er lernte sie nie näher kennen …
Das war vielleicht auch der Grund dafür, daß er ihr keine Träne nachweinte und nicht das Gefühl eines persönlichen Verlustes hatte, als sie schließlich auf Altair V verschwand.
Auf Altair wird die Expeditionsgruppe nämlich versprengt und gefangengenommen. Nur Paul überlebt und findet Gn a de vor dem jungen Gott-König des Landes, der – verkleidet und inkognito natürlich – zu seinen Füßen lernt. Paul b e kommt auch eine Sklavin zugeteilt, die ihn anbetet, und schließlich besteigt er selbst den Thron. Zwar pflegt der Gott-König durch Ritualmord zu sterben, aber Paul findet in der ihm zugefallenen Aufgabe die Erfüllung seines Lebens.
Ist diese Gegenüberstellung von zwangsweise angetrauter Ehefrau und Raumschiff einerseits und entzückender G e liebten und schönem Planeten andererseits rein zufällig?
In Arthur C. Clarkes Kurzgeschichte Die Lieder der fe r nen Erde muß ein Raumschiff eine nicht geplante Zwische n landung auf Thalassa machen, einer seit 300 Jahren von Te r ranern besiedelten Welt. Das ist vielleicht ein Planet! Pa l men, blauer Ozean, fröhliche Menschen, die träumen, tanzen und ein wenig fischen. Lora, die Tochter des Bürgerme i sters, verliebt sich in den Ingenieur Leon, und er würde sich nur zu gern von dem romantischen Zauber einspinnen la s sen. Aber die Pflicht ruft, er zeigt ihr seine im Tiefküh l schlaf liegende schwangere Frau und nimmt Abschied.
Manche Astronauten werden unbarmherzig dem Rau m schiff selbst angetraut. James White zum Beispiel findet in der Kurzgeschichte Zwischen Erde und Mars die Lösung für die schwierige Frage der Raumfahrer-Ausbildung, so daß Jungen ab ihrem zwölften Lebensjahr trainiert und für ein ganz bestimmtes Schiff ausgebildet werden.
Dieses Schiff trägt den Namen seines Kapitäns, der Kap i tän kann und darf keine anderen Interessen mehr haben als sein Schiff, und wenn das Schiff nach acht oder neun Jahren veraltet ist, geht der Kapitän mit ihm in Pension.
Als Onkel Oskar neulich wieder einmal hereinschneite und fragte, wie meine Arbeit gediehen sei, erzählte ich ihm von den Raumschiff-gleich-Frau-Geschichten, und er bemerkte strahlend: „Aha! Ödipuskomplex!“
Mit Verlaub, ich sehe die Sache anders.
Eine Identifikation von Frau und Raumschiff liegt vor, das ist klar. Aber es ist eine Identifikation von Objekten, die man haßt oder die man vorgibt zu verachten.
In dem Roman Die Rache des Kosmonauten von Alfred Bester verfolgt Maschinenmaat 3. Klasse Gulliver Foyle (zugegebenermaßen ein Mann, in dessen Personalakte steht: „Ausbildung: keine; Fähigkeiten: keine; Leistungen: keine; Empfehlungen: keine“) mit unwahrscheinlicher Energie ein Raumschiff, das ihm Unrecht getan hat. Der Haß löst bei ihm sogar einen Intelligenzschub aus und übermenschliche Widerstandsfähigkeit. Erst als er nach einem Bombena n schlag auf die „Vorga“ in einen unterirdischen Kerker g e sperrt wird und über eine „Flüstergalerie“ mit einer pfiffigen jungen Frau in Verbindung kommt, wird er von dieser b e lehrt, er müsse den Kapitän des Schiffes suchen und sich an diesem rächen.
Gulliver kommt frei und findet den Kapitän. Es ist eine Frau. Sie jammert, sie sei schuldlos, die Schiffseignerin habe damals den Befehl gegeben, den Schiffbrüchigen im Stich zu lassen. Schon wieder eine Frau.
Erinnern Sie sich an unsern schwachsinnigen Piloten, darauf dressiert, auf Signale hin bestimmte Knöpfe zu drü c ken? Er verwechselte nach einer (vollautomatischen) No t landung seine Retterin Anjanet mit dem „Gesicht“, das mit ihm zu spielen pflegte, und beide mit der Robot-Nanny se i ner Kinderzeit.
Da bei ihm durch den Schock der Geschlechtstrieb e r wacht und Anjanet den bildschönen jungen Mann zwar e t was seltsam, aber sehr sympathisch findet, wäre ein für be i de erfreuliches Abenteuer denkbar. Aber was findet Anj a nets zu spät hinzukommender Bruder vor? Seine Schwester ist gefesselt und in ihrem Oberschenkel steckt – als Äquiv a lent einer Injektionsspritze – eine Gabel!
Wie du mir, so ich dir, sagt sich da manch ein Raumschiff und versklavt seine Besatzung.
Auf humoristische
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