Science Fiction Almanach 1982
Unterhaltung, doch konnte sie Ebah nicht verstehen, denn sie sprachen nicht die Sprache der Erdenpflanzen. Wohl aber verstand sie der Sternentau, nur teilte er sich jetzt Ebah nicht mit.
Andere Idonen kamen noch dazu, die an anderen Stellen und schon in den vorangehenden Tagen frei geworden waren. Alle versammelten sich unter der Buche, wo der erste Sternentau auf Erden, die Stammutter des Geschlechtes sich angesiedelt hatte. Mit dem Sternentau unterhielten sie sich lange, ohne daß Ebah etwas verstehen konnte. Dann tanzten sie wieder ihren Reigen wie die Blumenelfen des Märchens und berieten sich. Schließlich zerstreuten sie sich und verschwanden nach verschiedenen Richtungen zwischen den Bäumen.
Ein Schauer ging durch den Wald. Was war das? War der Gott erwacht? Aus der Pflanze geboren ward der Gott? Kam er zu erlösen von der Herrschaft der Menschen? Kam er zu vereinen die Lebendigen der Erde? Der Wald schwieg, gebannt zwischen Furcht und Andacht.
Vom Sternentau her klang es jetzt wieder ganz leise:
„Ebah!“
„Was willst du, Bio?“ fragte der Efeu.
„Jetzt bin ich eine Pflanze auf der Erde, wie ihr, nur fremd. Schütze mich, Ebah, und bitte auch die Buche darum. Denn ohne dich kann ich nicht gedeihen. Aber jetzt kann ich zu dir sprechen.“
„Warum ließet ihr Hedo nicht zu mir reden? Warum sprach der Sternentau nicht dort?“
„Jetzt wird auch er sprechen. Unter uns konnten wir ja schon immer sprechen, ohne daß ihr es vernahmt oder verstandet. Aber die Pflanzen hier in meiner Nähe sollten nicht eher von den Idonen erfahren, bis ich, die Stammutter, zu euch reden konnte; und das vermochte ich erst, wenn mein Wesen frei wurde. Auch mit den Idonen kann ich reden, wenn sie nicht gar zu weit entfernt sind. Selbst was ihr untereinander sagtet, konnte ich ihnen mitteilen, denn das verstand ich schon lange; nur vermochte ich nicht, auch mich selbst verständlich zu machen, bevor meine Becher sich ganz öffneten. So kennen wir schon vieles von dem Leben der Pflanze.“
„Und wohin sind jetzt die Idonen gegangen?“
„Sie suchen einander und ziehen dann hinaus in dies unbekannte Land, es zu erforschen. Sie wollen erkunden, was die Tiere und die Menschen tun. Und wenn sie wiederkommen, werdet auch ihr viel Neues erfahren können, soweit ihr es versteht.“
„Aber wo wohnen sie? Wie ernähren sie sich?“
„Wohnungen werden sie sich bauen, wo sie es für geeignet finden. Im allgemeinen leben sie einsam oder zu zweien, nur hin und wieder vereinen sie sich zur Beratung. Und Nahrung brauchen sie nicht mehr, als die Luft ihnen bietet und das Wasser und weniges vielleicht vom Boden. Denn genährt haben sie sich als Pflanze. Das ist die Zeit ihres Wachsens, da nehmen sie auf, was sie brauchen. Als freie Wesen haben sie anderes zu tun. Doch laß mich jetzt ruhen, ich bin ermüdet.“
„Was tun sie?“ fragte Ebah hartnäckig.
„Wie soll ich dir das kund tun? Jetzt als Pflanze vermag ich nur zu sagen, was der Pflanzen Wissen und Rede ist. Die Idonen aber sind der Teil von uns, der Wissen und Macht hat. Ihre Gedanken sind die Welt.“
„Wie ist das möglich? Woher kommt ihr?“
„Ich verstehe nicht, es auszudrücken, auch weiß ich es selbst nicht recht. Die Welt, von der wir stammen, sah anders aus als die neue. Wohl fern, fern von hier ist unsere Heimat.“
Der Sternentau versank in Schweigen. Der Wald schlief.
Um die niedrigen Berggipfel der fremdartigen Landschaft breitet es sich wie weißliche Wolkenstreifen. Häufig lösen sich einzelne Stücke ab und gleiten durch die Luft hierhin und dahin, begegnen sich und weichen sich aus. Unter ihnen liegt das Land von üppigem Pflanzenwuchs bedeckt wie ein blühender Garten, durchzogen von Kanälen, die flache Seen verbinden. Ihre Wasserspiegel blinken in den wunderbarsten Farbenreflexen.
Denn über dem allen spannt sich ein blau-violetter Himmel, woran eine große leuchtende Scheibe mit verschwommenen Rändern prangt. Ein sichelförmiger Teil von ihr strahlt in weißlichem Licht, der übrige glimmt matter mit einem ins Grünliche spielenden Gelb. Nach dem Horizont zu schimmert es von Blau bis Rot in allen Abstufungen des Spektrums.
Sämtliche Farben sind sanft und matt, selbst die Helligkeit ist nirgends blendend. Auch scharfe Schatten fehlen bei der großen Fläche des leuchtenden Himmelskörpers. Nur an einer Stelle, nach der Seite der weißen Sichel hin, strahlt am Himmelsgrund ein glänzender Stern.
Das ist unsere Sonne.
Unsere Sonne,
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