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Science Fiction Almanach 1982

Science Fiction Almanach 1982

Titel: Science Fiction Almanach 1982 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Menschen, die lieb zueinander waren unter den Bäumen und auf dem Moos, daß sie nachher trauernd einhergingen, wenn sie allein kamen.“
    „Was wissen wir Genaueres von Menschenlust und -leid? Viel merkwürdiger ist es, daß die fremde Pflanze drüben bei deinem Sprößling sich soviel herausnimmt, und hier spricht sie nicht und rührt sich nicht, soviel man sie auch fragt.“
    „Und doch, Schattende, seit der Abend kam, scheint es mir, als verändere sich die neue Pflanze, als hätte mein kleiner Schützling einen Wunsch, nur vermag sie ihn noch nicht deutlich zu machen. Sie schmiegt sich so eng an mich an.“
    „So wird sie wohl jetzt unsere Sprache erlernen. Warte nur ab. Es gibt nichts Fertiges. Was da ist, das muß vorher werden. Auch des Menschen schnelles Handeln braucht Weile; und selbst der Gott gewinnt Wirklichkeit nur in der Zeit. Zeit ist der Pflanze größter Reichtum, und ihr Vorzug vor allem Lebendigen ist die Geduld.“
    „Aber widerspricht sich das nicht, Leben und Geduld?“ fragte der Efeu. „Denn Leben heißt Wünschen. Ich wünsche zu blühen, ich wünsche, daß Harda glücklich werde im Segen der Dauerseele, und wenn ich nicht wünschte, was hieße dann leben? Wünschen aber heißt, keine Geduld haben.“
    „O Ebah“, sprach die Buche tadelnd, „was redest du? Wünschen ohne Geduld heißt leben in Unlust und Qual, Wünschen aber in Geduld heißt dauernde Freude im Denken ans Kommende, heißt Hoffnung. Und was wir so hegen im Innersten und träumend erwarten, das ist viel schöner, als was wirklich aufsteigt zum Geschehen. Denn Phantasie kann gebieten, Wirklichkeit muß gehorchen. Geduld ist Herrin, Tat ist Knecht.“
    Während der weisen Betrachtung der Buche fühlte Ebah wieder den leisen Druck der Ranken des Sternentaus. Und aufmerkend wurde sie zwischen ihren Blättern einiger schwach schimmernder Stellen gewahr. Das war nicht das grünliche Licht des Leuchtwurms, nein, es glomm bläulich, und jetzt ward’s immer deutlicher. Die Kapseln des Sternentaus sind’s, die da schimmern, hellblau, dunkelblau, hier und dort, wie sie zerstreut wachsen zwischen dem ausgedehnten Laubkleid des Efeus.
    „Was ist das?“ sagte der Waldmeister leise zum Sauerklee. „Siehst du nicht, was sich der Efeu wieder herausnimmt?“
    „Laß mich, ich will schlafen. Was geht’s mich an?“
    „Ich glaube, Ebah ist die Blühlust schlecht bekommen. Statt nach oben schlägt sie nach unten aus.“
    „Still“, riefen die jungen Buchenbüsche. „Das ist kein gewöhnliches Blühen, das ist etwas ganz Seltsames. Das kommt ja von der fremden Pflanze.“
    Die sehr jungen Fichten, die sich am Felsen angesiedelt hatten, wurden aufmerksam; sie benachrichtigten ihre hohen Verwandten am Abhang.
    „Die fremde Pflanze macht sich bemerklich?“ fragte die gekrümmte Fichte mißtrauisch. „Ich habe schon lange meine Bedenken. Warum versteckt sie der Efeu unter seinen Blättern? Und warum kriecht er so um die Buche herum?“
    „Das ist eben das Schmeicheln hier und das Protegieren dort“, sagte eine schlanke, starke Fichte. „Das ruiniert den Wald. Dieses Buchenprozentum hat abgewirtschaftet.“
    „Es wäre Zeit für uns, die Leitung im Wald zu übernehmen“, rief eine dritte.
    „Sehr richtig“, bemerkte eine Kiefer. „Die Laubhölzer haben sich nicht bewährt. Da gibt’s keine Ausdauer. Im Winter ist’s kahl zum jammern.“
    Und eine alte, vom Sturm gekrümmte Kiefer, die oben auf dem Felsen hinkroch, fügte hinzu:
    „Dieser bedecktsamige Blütenindividualismus muß zur Selbstüberhebung führen. Jeder will etwas Besonderes sein.“
    Aus den schlanken geraden Fichten murrte es dagegen: „Wärst du nur nicht dort hinaufgestiegen! Wir müssen zusammenhalten. Siehe unsre soziale Gleichmäßigkeit! Es leben die Coniferen!“
    „Nicht zu laut, nicht zu laut!“ warnte die alte Fichte. „Ich bin überzeugt, die Buchen wittern schon, daß ihre unhaltbare Stellung bedroht ist, und sie bereiten irgend etwas Heimliches vor, um den Wald, vielleicht gewaltsam, zu beherrschen. Was sollte sonst diese fremde Pflanze bedeuten? Wenn es überhaupt eine Pflanze ist! Dieses Glimmen im Dunkeln erinnert an tierische Gewohnheiten.“
    „Seien wir nicht ungerecht“, beruhigte eine alte Lärche. „Auch die Laubhölzer haben ihre Verdienste. Jedenfalls dürfen gerade wir nicht gegen das Prinzip des freien Wettbewerbs auftreten. Aber wir könnten ja einmal die Buche interpellieren, was sie eigentlich –“
    „Ruhig, ruhig!“

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