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Science Fiction Almanach 1982

Science Fiction Almanach 1982

Titel: Science Fiction Almanach 1982 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Ausdehnung ihres sehr elastischen Körpers können sie sich heben und senken. In feine, nachschleppende Schleier gehüllt schweben sie anmutig dahin; sie haben keine Eile.
    Für menschliche Augen würden sie schwer erkennbar sein, weil ihre Körper nahezu durchsichtig erscheinen, und nur die Reflexe an ihren großen Augen dürften auffallen. Der innere Bau ihres Körpers ist in weit höherem Grade als beim Menschen auf das Vorherrschen des geistigen Lebens eingerichtet, so daß man sie als schwebende Gehirne bezeichnen möchte. Mit der physischen Arbeit zur Erhaltung ihres Lebens haben sie wenig zu tun, ihre Energie konzentriert sich in der Bewältigung ihrer Gedankenwelt. Die schaffende Macht der Natur hat bei ihnen die Form selbständigen Bewußtseins gewonnen; ihre Phantasie löst die Widerstände der Wirklichkeit auf zum freien Spiel gütigen Wollens und beglückender Liebe.
    Die Idonen werden nicht von Idonen erzeugt und geboren und bringen nicht wieder Idonen zur Welt. Sie wachsen hervor aus einer pflanzlichen Generation, die sich allein durch Zellteilung, durch Knospung vermehrt und so die innige Verbindung mit Leib und Seele des Weltkörpers dauernd bewahrt, auf dem sie gedeiht. Die Idonen aber sind das frei bewegliche Geschlecht, dessen Individuen sich in persönlicher Wahl, männliche und weibliche, vereinen in allen Feinheiten der Liebessehnsucht und Liebesgemeinschaft. Dieser Vereinigung entsprießen nicht junge Idonen, sondern ein Gebilde, das in pflanzliche Keime zerfallt; aus ihnen wachsen dann wieder die Pflanzen, welche die neue Generation darstellen. Während der Durchgang durch die wurzelnde Pflanze den steten Zusammenhang mit dem Leben und der Kraft des Weltkörpers aufrecht erhält, gibt die geschlechtliche Fortpflanzung und ihre freie Wahl den Idonen die Fähigkeit, alle Erwerbungen ihres individuellen Lebens der Gattung nutzbar zu machen. So hat hier ein dauernder Wechsel zwischen Pflanze und Gehirnwesen die günstigste Arbeitsteilung errungen, um die Energie des leiblichen Lebens und die Macht des geistigen zur höchsten Stufe der Kultur zu führen.
    Fänu, eine junge Idonenfrau, verließ ihre Wohnung und schwebte hinab zu den gartenartigen Wäldern und Wiesen der Mondoberfläche. Langsam war ihr Flug und vorsichtig, als berge sie etwas Kostbares unter ihrem Schleier.
    Um sie herum, die Umgebung gewissermaßen prüfend und sie vor zufälligen Störungen schützend, flog Fren, ihr Gatte, bald rechts oder links, oben oder unten. Das hinderte die beiden nicht, ihre Gedanken leise auszutauschen. Denn ihre Sprache war nicht an so geringe Entfernungen gebunden wie die des menschlichen Mundes. Zwar beruhten ihre Mitteilungen auch auf Luftschwingungen, aber ihre Organe waren ungleich empfindlicher als die der Menschen, ihre Verständigung bediente sich der mannigfachsten und feinsten Mittel.
    Über blumengeschmückte Wiesen hinweg flog Fänu einem ausgedehnten Wald zu, dessen Bäume sich bis über zehn Meter hoch erhoben. Auf der Erde freilich würden diese Pflanzen als zierliche Ranken am Boden hinkriechen müssen, wenn sie nicht eine äußere Hilfe fanden. Bei der geringen Schwerkraft aber, die hier herrscht, konnten sie leicht ihr eigenes Gewicht tragen und strebten frei in die Luft, wo sie sich in zahllosen feinen Sprossen verzweigten und mit ihren vielfach gefiederten Blättern ein dichtes Laubdach bildeten.
    Die Zweige dieser Ranken waren hier und da mit blauen Kelchen geschmückt, die in verschiedenen Entwicklungsstufen standen. Auch andere Pflanzengattungen zeigten sich zwischen den Rankenbäumen, kleinere Arten bedeckten den Boden, und eine mannigfaltige Tierwelt, wie eine bunte Gesellschaft seltsam gestalteter, freigewordener Blüten, kroch am Boden umher oder flatterte durch die Luft. Alle diese Tiere pflanzten sich wie die Idonen in einem Generationswechsel mit der Pflanzenwelt fort, jeder Tierform entsprach eine bestimmte Pflanzenform als Stammutter, und sie alle bildeten Vorstufen zu dem höchsten Produkt der Entwicklung, das der Neptunsmond hervorgebracht hatte, den Idonen.
    „Schon sehe ich den Hügel der Mutter“, sagte Fänu. „Laß uns ein wenig rasten, ehe wir sie begrüßen.“
    „Dort auf den Zweigen des Dunkelbaums“, antwortete Fren. „Kennst du ihn noch?“
    Fänu schmiegte sich zärtlich an den Geliebten. „Wenn die Bilder der Frohgefühle kommen, um den Seelenreigen zu schlingen, dann sind sie bekränzt mit dem überaus herrlichen Spitzengewebe des

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