Science Fiction Almanach 1982
Blick fiel auf die Gestalt ihres Begleiters. Er stammelte ein paar undeutliche Worte und stürzte aus dem Zimmer …
„Was hatte der wunderliche Herr?“ fragte Frau Ellida erstaunt. – Ja, was hatte er? Nach einer Weile sahen wir es auch.
Im Halbdunkel der Tür hatte Frau Ellida eine überraschende Ähnlichkeit mit – Demoiselle Justina, deren Miniaturbild wir vorhin betrachtet. So frappierend war diese Übereinstimmung, daß selbst Fennmüller ausrief:
„Mein Kompliment, Frau Ellida, Sie sehen noch genau so aus wie vor hundertfünfunddreißig Jahren!“
Woher stammte diese wunderbare Ähnlichkeit? Die Fragen und Wechselreden gingen herüber und hinüber.
– Ich aber benutzte diesen Augenblick, um nach dem Verschwundenen zu suchen. Ich benachrichtigte unsern allzeit aufmerksamen Wirt, Herrn Sandter. Gemeinschaftlich durchforschten wir das Lokal, den Garten. –
Nirgends eine Spur. Aber noch konnte er nicht weit gekommen sein! Schnell trat ich durch das Gartentor auf die Landstraße hinaus, die im hellen Mondscheine vor mir lag. Sie war nach beiden Richtungen leer.
So schnell mich meine Füße trugen, lief ich in der Richtung vorwärts, aus der ich heute abend mit dem seltsamen Fremden gekommen war. Laut rief ich seinen Namen in die Dunkelheit, wieder und wieder. –
Aber ich erhielt keine Antwort und sah auch niemand.
Wohin konnte er so schnell verschwinden?
Und wieder lief ich weiter, immer weiter– – –
Da – vor mir auf dem Wege!
Wie von Geisterhand gesponnen, senkt sichs herab mit nebeligem Schleier –
Eine weiße Wolke, hell vom blendenden Mondlicht überflutet!
Und vor ihr – nicht mehr von der Biegung des Weges verdeckt, – Adam Perennius!
Laut rief ich seinen Namen, auf ihn zueilend.
Fast hatte ich ihn erreicht – da wandte er sich um und sah mich an – Unendlich gramvoll sind seine Züge, und es ist, als blicke ein uraltes, welkes, todmüdes Menschenantlitz mir entgegen, von unsagbarem Weh plötzlich gealtert!
Noch einmal kommt sein Name über meine Lippen –
Er aber winkt mit der Rechten ein Lebewohl!
Dann schreitet er hin in das weiße Geheimnis!
Einen Augenblick lang sehe ich noch seine hohe Gestalt – dann zerfließt sie wie ein wesenloser Schatten.
Nicht, als ob ein Nebel sie verhüllte –
Nein, als ob sein scharf umgrenzter Körper sich auflöse in dem rätselhaften Medium der Wolke –
Nun ist er zerronnen – in nichts!
Noch einmal rufe ich angstvoll seinen Namen –
Keine Antwort!
Und da überfallt mich plötzlich namenloses Grauen …
Ich denke an seine Erzählung von der gespenstischen Verwandlung in der verhängnisvollen weißen Wolke. Ich will nicht auch so für meine Zeit und für die Meinen verloren gehen, wie Adam Perennius!
Fort – zurück – zu Menschen, zu meinesgleichen!
Und ich stürzte zurück. Die Gedanken jagten sich in meinem Hirn. Die ruhige Überlegung wurde überwältigt von den außerordentlichen Eindrücken der letzten Stunden. Was war Schein – was Wirklichkeit? Heute abend schien ihre feste Grenzmauer zu wanken. Gab es ein geheimnisvolles Zwischenreich zwischen Himmel und Erde, erfüllt von geheimnisvollen übermenschlichen Mächten …?
Vor dem Gartentor des Lokals hielt ich inne im Laufen. Ich klammerte mich am Gitter fest, um mein empörtes Herz zur Ruhe kommen zu lassen. –
Von der Stadt her kam in ruhigem, sicherem Schritt eine Gestalt im leichten Sommermantel.
Großhändler Deckers!
Mit einem befreienden Aufatmen eilte ich auf ihn zu und begrüßte ihn.
Er war verwundert über die Erregung, mit der ich seine treue, feste Hand ergriff.
Er ahnte ja nicht, daß ich mich an ihr zurückrettete aus dem Labyrinth irrender und verwirrender Gedanken in die befreiende, klare Wirklichkeit!
„Sehen Sie doch“, sagte er, auf den Weg deutend, den ich vor wenigen Sekunden verlassen, „wie der Nebel schon zieht. Ja, es wird Herbst!“
– und jetzt, wieder ruhig geworden, sah ich auch nur eine harmlose Nebelwand und konnte meine grundlose Angst von vorhin nicht begreifen.
Mit ihm zusammen trat ich wieder ein in den Kreis der „Abendschule“.
– Ich berichtete mein letztes Erlebnis.
In kurzen Worten erfuhr Großhändler Deckers das wunderbare Ereignis des heutigen Abends.
„Vielleicht kehrt er doch zurück, wenn er sich beruhigt hat“, meinte der Großhändler.
„Wenn er zurückkehren will !“ sagte Fennmüller mit vielsagendem Lächeln.
„Wenn er zurückkehren kann !“ änderte ich, noch einmal an die
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