Science Fiction Almanach 1982
Zeit sehr beliebt war und hauptsächlich von dem Amerikaner Percival Lowell popularisiert wurde zur Stützung seiner wissenschaftlichen These der Existenz von Marsbewohnern.
Nach dieser Theorie entstand der Mars früher als die Erde; sein Leben wurde somit mittelbar zu einer Aussage über die irdische Zukunft. Logisch folgt daraus, daß uns das Volk unseres Nachbarplaneten auch technisch weit übertreffen muß.
Weil man aber dem Human-Chauvinismus nicht ganz ade sagen wollte, entschlossen sich die Autoren kurzerhand dazu, die Erdbewohner in einem einzigen, aber gravierenden Punkt ihren marsianischen Technikern überlegen zu zeigen: als Erfinder der Raumfahrttechnik.
Jedenfalls kanalisierte man damals seinen Einfallsreichtum ganz auf technische Antizipationen, was den Autoren von Kritikern späterer Zeit immer wieder den Vorwurf technokratischer Kuriositätenschreiberei einbrachte. Einiges mag an diesem Urteil sicher stimmen, die gutgemeinten Zukunftsträume dieser Zeit jedoch in Bausch und Bogen abzuqualifizieren, scheint doch etwas zu weit zu gehen.
Als rein technische Propheten geben die Autoren doch einiges her. Empfehlen sollte man sie nur den naturwissenschaftlich-technisch interessierten Lesern. Alles in allem kann man natürlich aus der Fülle des vorhandenen Materials nicht allzu viele Werke dem heutigen Science Fiction-Konsumenten als Lektüre vorschlagen. So manche Veröffentlichung, die sich damals spannend las, mußte der Zeit ihren Tribut zollen. Andere hingegen wirken etwas antiquiert, was aber nicht unbedingt ein Nachteil sein muß.
Allgemein lassen vor allem die literarischen Qualitäten in der utopischen Literatur oft sehr zu wünschen übrig, sieht man einmal ab von Querschlägern wie Alfred Döblin mit seinen Berge, Meere und Giganten von 1924 und Franz Werfels Stern der Ungeborenen (1946 posthum veröffentlicht). Sie haben jedoch als Literaten und daher Technikpessimisten keine Beziehung zum üblichen utopischen Genre dieser Epoche.
Pflichtlektüre für die Interessenten alter deutscher Zukunftsliteratur ist auf jeden Fall ein Autor, der sich als erster mit den Ideen Hermann Oberths – dem Antrieb mittels Rückstoß- und Mehrstufenprinzips – nicht nur in seinen Sachbüchern auseinandersetzte, sondern sie auch in Form von utopischen Romanen popularisierte: Otto Willi Gail. Sein Schuß ins All (1925) ist wohl der deutsche Raumfahrtroman bis 1945.
Er ist selbst heute noch mitreißend zu lesen, nicht nur für den, der sich mit der Geschichte der SF beschäftigt. Obwohl hier die Oberthsche Flüssigkeitsrakete sehr eingehend vorgestellt wird, wirkt das Buch nie langweilig.
Uns Heutige, die wir mit diesem Roman retrospektiv auf das nahende Raumfahrtzeitalter blicken, schlägt dieser wohl recht alte und unbändige Wunsch, einmal zum Mond fliegen zu können, erneut in seinen Bann.
Dabei gelangen Gail einige bemerkenswerte Vorhersagen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Raumfahrtantizipationen sieht er zum Beispiel richtige Raumspaziergänge vor. Die Terminologie lag hier verständlicherweise noch im argen; Gail mußte sich behelfen: So nannte er etwa die Raumanzüge in Ermangelung eines Fachausdruckes schlicht Taucheranzüge.
In der reichhaltigen Raumfahrtliteratur der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts stellt sich natürlich auch die Frage nach dem Nutzen der Reise zu fernen Himmelskörpern. Waren es anfangs hauptsächlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Raumfahrer von ihren waghalsigen Unternehmen mitbrachten, so erkannte man doch bald, daß die fremden Planeten noch weiteres zu bieten hatten.
Da bestand die Chance, auf extraterrestrischem Gebiet die irdischen Ressourcen zu ergänzen, oder man konnte das eroberte Land zur Kolonisation heranziehen. Dieser letzte Aspekt wurde gerade im Nationalsozialismus aktuell, als das Volk ohne Raum propagiert und damit der Anspruch auf Kolonien gerechtfertigt wurde. Immer wieder also ist es imperialistisches Gedankengut, das sich in der Zukunftsliteratur breitmacht. Aber das entsprach ganz den damals gängigen Auffassungen und war sicher nicht so schlecht gemeint, wie heutige Interpreten glauben könnten.
Dazu ist ein Blick in die deutsche Geschichte vonnöten. Die hier behandelte Zeitspanne ist von weltpolitischen Konflikten gezeichnet. Auch in Deutschland selbst herrschen recht undurchsichtige und ständig wechselnde Verhältnisse.
Das wilhelminische Zeitalter geht zu Ende, ein Weltkrieg bricht aus. Auch in diesem Fall endet er wie
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