Science Fiction Almanach 1982
progressiver Phase treu“. 5
Zum großen Vorbild Kant gesellt sich später ein zweites: Gustav Theodor Fechner, dessen Biograph Laßwitz wurde. Allerdings war der zweite vermittelt über den ersteren, weil Laßwitz in Fechner einen Vollender der Kantschen Lehre sieht. „Der von Fechner gelehrte Parallelismus des Physischen und Psychischen und die Erklärung des Einzelbewußtseins als ein Erheben des Allgemeinbewußtseins über die Schwelle infolge der gesetzlichen Einheit eines psycho-physischen Systems – sie sind naturgemäß Folgerungen aus der Erkenntniskritik Kants, wenn man daran geht, auf Grund des heutigen Standes der Naturwissenschaften die Verbindung von Physiologie und Psychologie mit dem transcendentalen Idealismus zu suchen, eine Verbindung, die Kant gefordert, aber selbst nicht mehr vollendet hat. „ 6
Fechner selbst hatte die Absicht, das „Maß der Empfindung“ zu suchen, seine „Psychophysik“ wollte eine „exakte Lehre von der Beziehung zwischen Seele und Leib sein“. 7
Dieser Versuch, menschliche Psyche und exakte Naturwissenschaft in Einklang zu bringen, wurde von Fechner schließlich zu einem obskuren pantheistischen Weltbild ausgebaut, in dem „… die gemeinsame Bedingung des Physischen und des Psychischen (…) das Gesetz des allgemeinen Bewußtseins“ ist 8 und „alles Materielle beseelt ist, bis hin zu den Gestirnen selbst, und auch die Erde ist ein Engel“. 9
In der Spätphase von Laßwitz’ Schaffen kommen namentlich in zwei Romanen die pantheistischen Einflüsse Fechners zur Geltung, in Aspira (1906) und Sternentau (1909). In Aspira nimmt eine Wolke Frauengestalt an, in Sternentau verlassen intelligente Blumen vom Neptunsmond die Erde wieder, nachdem ihnen die Menschen doch allzu barbarisch erscheinen. Beide Romane können „keinen Vergleich mit den Geschichten der Zeit zwischen 1890 und 1902 aushalten“. 10
Warum Laßwitz sich von Fechner faszinieren läßt, erscheint nur schwer erklärbar, und daß bei Fechner die Verbindung zum transcendentalen Idealismus auch nach Kantschen Begriffen wissenschaftlich sein soll, ist eigentlich nach Laßwitz’ Auffassung vom Transcendentalen gar nicht möglich. In den Wirklichkeiten (1900), seiner bedeutendsten Essaysammlung, stellt Laßwitz fest: „Indem Kant von dem empirischen Ich das transcendentale Ich als den von der Forschung unerreichlichen Rest unseres Selbstbewußtseins unterschied, begrenzte er ein für allemal das Gebiet der Wissenschaft und garantierte dem Subjekte seine Freiheit. „ 11 Im Hinblick auf Fechner findet sich dieses Zitat pikanterweise in dem Essay „Von der Mystik“.
Wenn Laßwitz Fechner etwas zu verdanken hat, dann Humor und Satire. Unter dem Pseudonym „Dr. Mises“ hatte Fechner diverse humorige Prosastücke verfaßt 12 , und sich dabei einer besonderen Methode bedient: Zunächst stellte er eine scheinbar unhaltbare These auf, z. B. daß die Schatten lebendig seien – und bewies dieses Thema dann „mit einem köstlichen Aufwand an Scharfsinn“. 13 Im Falle des Schattens etwa könnte ja letztlich auch der Schatten auf die Idee kommen, der Mensch sei sein Schatten, weil nie ein Schatten den Menschen länger als sich selbst wahrgenommen haben kann … Fechners positiver Beitrag, der „höhere Blödsinn“, kommt in einigen wirklich wundervoll blödsinnigen Kurzgeschichten zum Ausdruck, namentlich in „Psychotomie“ (1885) und „Mirax“ (1888). Starke humoristische Elemente finden sich aber auch in vielen anderen Kurzgeschichten, etwa in „Aus dem Tagebuch einer Ameise“ (1890) oder in „Die Fernschule“ (1902) – im übrigen eine tatsächliche Antizipation eines möglichen anderen Unterrichts über eine Art Bildtelefon –, wo sich ein Schüler für sein Zu-spät-Erscheinen mit folgenden Worten aus der Affäre zu ziehen versucht:
„Entschuldigen Sie, Herr Naturrat, meine Mama hat gestern unsere Tascheneiweißmaschine im Frauenklub auf Spitzbergen liegenlassen, die mußte ich schnell holen, und da es sehr windig war, habe ich mich etwas verspätet. „ 14
Innerhalb seiner Kurzgeschichten (ursprünglich erschienen in den Anthologien Seifenblasen (1890), Traumkristalle (1902) sind in der Tat die humorigen wohl die schönsten. Genrespezifisch lassen sich Laßwitz’ kürzere Erzählungen m. E. in zwei Kategorien aufteilen: in philosophische Märchen (z. B. „Prinzessin Jaja“, 1892) und technisch-philosophische Utopien.
Zu den letzteren gehören die beiden Frühwerke „Bis zum
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