Science Fiction Almanach 1982
mehr versprechen, als die damals herrschenden Ansichten hielten.
Helmut Krohne
Kurd Laßwitz
Kurd Laßwitz und sein Werk
Obwohl Kurd Laßwitz’ Roman Auf zwei Planeten als erster vollentwickelter SF-Roman in deutscher Sprache gelten kann, gilt der Autor für die herkömmliche Literaturgeschichte eher als Randfigur oder literarische Lokalgröße. 1
Auch das ausgezeichnete Lexikon der Science Fiction-Literatur, das es immerhin geschafft hat, Laßwitz ausführlich zu berücksichtigen und sich die Ehre intimer Kenntnis mit dem österreichischen SF-Experten Franz Rottensteiner 2 teilen kann, stellt unter dem Stichwort „Laßwitz, Kurd“ anfangs lapidar fest: „Kurd Laßwitz ist heute in Deutschland ziemlich unbekannt.“
Die Sekundärliteratur zur SF hat das Bild über Laßwitz auch nicht erhellt – was allerdings auch eine beachtenswerte Leistung ist und Rottensteiner zu der bissigen Bemerkung veranlaßte: „… sowohl Martin Schwonke als auch Hans-Jürgen Krysmanski gaben an, Laßwitz zu schätzen, bezeichnen ihn als denjenigen deutschen SF-Autor, der der modernen amerikanischen SF am nächsten steht, und ignorieren ihn aber dann. „ 3
Die Vernachlässigung von Person und Werk des Kurt Laßwitz ist sträflich aus folgenden Gründen:
1) Laßwitz schrieb – wie schon erwähnt – den ersten deutschen SF-Roman, der immerhin von 1897 bis 1930 eine Auflage von 70 000 Exemplaren erreichte und mehrfach übersetzt wurde.
2) Laßwitz stellte erste Überlegungen zu einer Theorie der SF an.
3) Als erklärter Kantianer verfaßte er mehrere philosophische Werke und wissenschaftliche Sachbücher, z. B. das Standardwerk Die Geschichte der Atomistik vom Mittelalter bis Newton (1890), so daß er als einer der wenigen gelten kann, die Philosophie und Naturwissenschaft in ihrer Person vereinen und darüber hinaus noch schriftstellerisch tätig sind.
4) Als Gymnasiallehrer für Mathematik und Physik – dies vielleicht mehr als Anekdote – unterrichtete er in Gotha den wohl immer noch bekanntesten SF-Schriftsteller Deutschlands: Hans Dominik. Als Entschuldigung für die relative Unbekanntheit Laßwitz’ kann eigentlich nur das Verbot seines erfolgreichsten Romans Auf zwei Planeten angeführt werden, das 1933 von den Faschisten ausgesprochen wurde, weil ihnen der Roman als zu „demokratisch“ erschien.
Kurd Laßwitz wurde 1848 in Breslau als Sohn gutsituierter Eltern geboren. Der Vater war Eisengroßhändler und einige Jahre demokratischer Abgeordneter im Preußischen Landtag. Laßwitz erhielt eine seiner Herkunft entsprechende Ausbildung und entdeckte früh seine Interessen für Naturwissenschaft und Philosophie. Er promovierte wahrscheinlich 1875 (die im Lexikon genannte Zahl „1893“ ist wohl ein Druckfehler, auch die von Rottensteiner genannte Zahl „1873“ ist wohl nicht richtig, da Laßwitz 1873 zwar das Staatsexamen ablegte, aber erst zwei Jahre später promovierte 4 [zum Doktor der Philosophie mit einem naturwissenschaftlichen Thema: „Über Tropfen, die an festen Körpern hängen und der Schwerkraft unterworfen sind.“).
Trotz seines 1890 vorgelegten wissenschafts- und philosophiegeschichtlichen Standardwerks Geschichte der Atomistik vom Mittelalter bis Newton blieb Laßwitz die erhoffte Hochschulprofessur versagt, so daß er bis zu seinem Tode 1910 in Gotha am Gymnasium Ernestinum unterrichtete, es aber dort schließlich bis zum „Herzoglichen Hofrat“ brachte.
In Leben und Werk zeigte sich Laßwitz ziemlich unbeeindruckt von den Problemen seiner Zeit – namentlich den sozialen -; wie sein großes Vorbild Kant kümmert er sich um dergleichen nicht, sondern führt ein beschauliches und geordnetes Leben – auch dies wie Kant, nach dessen Spaziergängen man in Königsberg bekanntlich die Uhr stellen konnte. Das Interesse für Naturwissenschaft und Philosophie entspricht ebenso den Interessengebieten Kants, dessen frühes Werk Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755) ganz entschieden die mechanische und nichtmystische Entstehung der Welt verteidigt, also naturwissenschaftlich ausgerichtet ist. Laßwitz ist der Kantschen Philosophie bis in den Handlungsaufbau und Zweck vieler seiner literarischen Werke verpflichtet, und als Pädagoge müht er sich, die Anschauungen sowohl dichterisch als auch theoretisch unters Volk zu bringen. Dabei ist er zu seiner Zeit jedoch nicht Neukantianer, sondern bleibt Kant als eines „Denkers des Bürgertums in dessen eindeutig
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