Science Fiction Almanach 1982
aufschnellen, das Knüfelbein bisher für eine Art Registratur gehalten hatte, zog eine Platte heraus, die wie durchleuchtetes Milchglas aufflimmerte, und schrieb mit einem Metallstift einige Zeichen darauf.
Ein feines Summen kam aus dem Innern des Schrankes. Palamedes ließ eine zweite Milchplatte erglänzen, die sich nach fünf Minuten von selbst mit Zeichen bedeckte. „Alles in Ordnung,“ sagte der Mann aus Paraguay, nachdem er die Schriftzeichen gelesen hatte. „Mein Freund der Justizminister Martinez und sein Sekretär haben mit Vergnügen zugesagt, uns ihre Körper auf der anderen Seite des Globus für 24 Stunden zu leihen!“
Knüfelbein ließ seine gute Zigarre fallen, und sah absolut blödsinnig in das kühle Gesicht seines sonderbaren Gefährten. Dieser nahm ruhig und sachlich zwei Apparate aus dem Schrank, die etwa die Form von orthopädischen Korsetten besaßen, und vorn mit Bügeln aus Kupferdrähten versehen waren, die strahlenförmig nach allen Richtungen ausstrahlten. Zugleich beförderte Dr. Sakuska zwei Metallscheiben aus dem Schrank, von denen eine jede etwa einen Meter im Durchmesser besaß. Auf eine jede stellte er einen Klubsessel und lud durch eine Bewegung der Hand den Staatsanwalt ein, Platz zu nehmen.
„Sie kennen,“ sagte er sachlich erklärend, „die Fernwirkung der drahtlosen Telegraphie. Sie wissen, daß man bereits Torpedos und Boote von der Küste aus mit elektrischen Wellen lenkt. Auf ähnlichem Wege ist es nun möglich, die geistige Energie des Menschen in die Ferne zu übertragen. Natürlich muß die geistige Energie des Menschen eine gleiche Basis finden, wie die ist, auf der sie gewöhnlich beruht. – Das ist der Körper eines Menschen. Wir werden also mit dem Justizminister Martinez und seinem Gehilfen die Körper auf 24 Stunden austauschen. – Da sich Señor Martinez gerade in Ylimbo, der Grenzstadt von Yayaweita befindet, so können wir einen hübschen Ausflug in jene Provinz unternehmen, nachdem wir unser Ich drahtlos hinübertransportiert haben.“
Der Staatsanwalt nickte mechanisch. Sakuska legte ihm das elektrische Übertragungskorsett an, warf einen Blick auf die Glasplatte, zählte an einem Stromzeiger, der im Kreise von Zahl zu Zahl sprang, und sagte: „Ich schalte ein!“
Knüfelbein wollte im letzten Augenblick protestieren, ihm kamen juristische Bedenken, da aber empfand er einen leichten Druck auf den Kopf, als der sich umsah, umgab ihn helles Tageslicht anstatt der elektrischen Beleuchtung, in der sich das Zimmer soeben noch befand. Auch merkte er, daß seine Lage eine andere war. Das elektrische Korsett hatte er noch immer an, aber statt in einem Klubsessel lag er in einer seidenen Hängematte, und als er sich aufrichtete, bemerkte er, daß seine großen deutschen Hände schmal und fein geworden waren, daß er olivbraune Finger besaß. Sein Gehrockanzug war mit einem Gewände aus leichter Rohseide mit Perlmutterknöpfen vertauscht. Auch sein Gastfreund Palamedes Sakuska hatte sich seltsam verändert. Kleiner und breiter war er geworden, seine Gesichtszüge waren schärfer geworden, und die schiefen dunklen Augen ließen auf einen Mestizentypus schließen.
Knüfelbein wollte sprechen, aber er verstand seine eigenen Worte nicht. Da begann sein Gefährte langsam französisch zu sprechen, und machte ihm klar, daß in seinem augenblicklichen Körper die Gehirnbahnen auf die spanische Sprache eingestellt seien. Wenn er seinen Gedanken nur mechanisch eine halbe Stunde lang Ausdruck geben würde, so würde er ganz von selbst spanisch sprechen können, weil der Sprachmechanismus korporell zurückgeblieben sei.
Und Knüfelbein begann zu reden, krampfhaft ohne Unterbrechung. Er sprach seine Verwunderung aus und seine Bedenken juristischer Art und warf die Frage auf, ob er für seinen in Deutschland befindlichen Körper mit strafverpflichtet sei, wenn dieser Verbrechen beginge. Im Verlauf einer Stunde hatte er sich in seinen neuen Zustand eingeredet und fühlte sich verhältnismäßig wohl. Palamedes Sakuska, der den Leib des Sekretärs angelegt hatte, entwarf einen Operationsplan. Sie versahen sich mit Grenzkarten und gingen zu dem Strome, der die Provinz Yayaweita von dem übrigen Paraguay trennte.
Im Zollhaus auf der anderen Seite der Brücke wurden sie von ruhigen korrekten Leuten empfangen, die in eine hellgelbe aus einem Stück gearbeitete Rockhose gekleidet waren. Das gleiche Kostüm mußten auch sie anlegen, nur waren auf der Brust und auf dem Rücken
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