Science Fiction Almanach 1983
Gedanken nicht lesen. Vielleicht hatten sie einen Weltkörper wählen wollen, der weder im Machtbereich der Ryl, noch in dem der Erdwesen lag – als neutralen Ort für diese so schwerwiegenden Verhandlungen.
Mir aber erschien dieser Planet – Azazel hatten ihn die Erdwesen getauft, nach einem Dämon eines ihrer heiligen Bücher, der in der Wüste lebte – heute wie ein böses Omen. Endlos, einförmig und unfruchtbar wie seine Wüsten waren die Debatten, die ich hier führen mußte – und lagen nicht all unsere einstigen Pläne genauso hoffnungslos und erstorben, wie seine uralten Ruinen?
Mit welch tiefer Freude hatten wir doch die ersten Erdwesen begrüßt – nach Jahrtausenden, in denen wir schon fast jede Hoffnung aufgegeben hatten, es könnte außer uns noch andere denkende Wesen zwischen den Sternen geben! Und hatten wir nicht die gleiche Freude in den Gedanken jener Erdwesen mit ihren seltsam steifen Stockgliedern, ihrem schwankenden Gang (welche Mühe sie haben mußten, sich überhaupt aufrecht zu halten!) und ihren auf der einen Kopfhälfte zusammengedrängten Sinnesorganen; die Ryl mit ihrem glatten, gedrungenen Kegelleib, ihren biegsamen fünf Armen und ihrem Kopfstern: Beide hatten wir den Raum zwischen den Sternen überwunden – beide in der Hoffnung, eines Tages Brüder jenseits dieser Sterne zu finden!
Aber wir hatten ja nicht geahnt, daß wir zugleich mit diesen Brüdern auch jene gräßlichen, seelenlosen Maschinen finden würden, von denen mir jetzt wieder eine gegenübersaß …
„… ist uns Ihre Einstellung zu uns bei aller Verständnisbereitschaft nach wie vor unerklärlich!“ dröhnte der Lautsprecher der R 4141 aus seinem stumpf schimmernden Metallschädel. „Bei allen Menschen herrscht Einigkeit darüber, daß ein Roboter der gegebene Verhandlungspartner in einer so diffizilen Situation ist: Er darf – das ist das erste Grundgesetz der Robotik – weder einen Menschen angreifen, noch irgend etwas zulassen, was ihm schädlich sein könnte; also wird er die Interessen der Menschheit in jeder Beziehung zu wahren wissen. Er muß – das ist das zweite Grundgesetz – jeden von Menschen gegebenen Befehl ausführen, der nicht dem ersten Grundgesetz widerspricht; also wird er den Standpunkt der Menschheit ohne jede Verfälschung darlegen. Und erst zum dritten ist er gehalten, seine eigene Existenz zu schützen; ohne auch nur im entferntesten andeuten zu wollen, daß die Ryl irgendwelche feindseligen Absichten haben könnten, ist das schließlich eine unabdingbare Voraussetzung für jeden Botschafter in einem fremden Gebiet.
Berücksichtigen Sie ferner noch das unbedingt logische, nicht durch irgendwelche Gefühlsregungen getrübte Denken des positronischen Gehirns, so können Sie sich doch keinen geeigneteren Verhandlungspartner wünschen!“
Ich sog die trockene Luft des Wüstenplaneten in meine Atemröhre; noch immer machte es mir Schwierigkeiten, auf diese Art die merkwürdigen Luftschwingungen zu erzeugen, durch die sich die Erdwesen verständigten.
„Gerade diese drei Grundgesetze machen aber einen Roboter für uns Ryl als Verhandlungspartner untragbar!“ wiederholte ich zum hundertsten Male. „Es ist eindeutig, daß die positronischen Gehirne ausschließlich darauf ausgerichtet sind, die Interessen der Menschen und nur der Menschen zu wahren: Ein Roboter darf keinen Menschen zu Schaden kommen lassen – wohl aber einen Ryl; ein Roboter muß jeden Befehl eines Menschen befolgen – aber nicht den Befehl eines Ryl. Damit bleibt für uns nur noch eine Maschine übrig, die mechanisch ihre eigene Existenz
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