Science Fiction Almanach 1983
nun wieder ohne seitliche Schatten glosende Blickfeld des Alten. Eine Täuschung, vermutete er und versuchte ihn wegzuschütteln.
„Da vorn ist ein tiefer Schattenfleck, wie ich ihn noch nie gesehen habe“, stellte Lichtklinge erstaunt fest.
„Du auch …?“ wunderte Stoh sich. Dann schrie er auf, nicht vor Schmerz, sondern in gellender Freude: „Es ist grün!!! Mein Gott, ich kann es sehen! Es ist grün!!!“
Zwei Tage hindurch lag der Alte auf dem Rasen der Oase und kühlte seinen Blick bei Tage im Laub der Birken und Ulmen, die langsam für ihn Gestalt annahmen, ins schattig Sichtbare kamen, bis er sie untrüglich erkennen konnte. Am Morgen des dritten Tages machte er ein Wasser aus. Er schritt langsam auf den Teich zu und blickte hinein, dort, wo das Grell des Himmels vom abgespiegelten Laub der Ulmen gemildert wurde. In dem verschatteten Wasserspiegel nahm er den Umriß einer schlohweißen Gestalt wahr. Erst nach längerem Betrachten durchzogen feine Schattenlinien das Gesicht der gleichmäßig hellen Gestalt; Falten in seinem Gesicht, die Spur von Gefühlen, an die er nur noch mühsame Erinnerungen hatte.
,In der Gluthitze müßte ich eigentlich pechschwarz sein’, dachte er, ‚aber die schweifenden Gifte haben offenbar alle Pigmente fortgebleicht.’
Dann war ein gleißender Reflex im Wasser. Mit einem Schrei fuhr der Alte zurück. Er blickte auf gegen den hellen Horizont. Zunächst nahm er nichts wahr in der blendenden Glut. Dann schimmerte etwas durch wie ein Wasserzeichen in blütenweißem Papier und gewann allmählich Form: Die Statue eines übermenschlichen Lichtmonstrums, aus Substanz der Sonne gemeißelt, die Ränder schneidend grell.
Dann bewegte sich die glosende Statue, in jeder Hand eine Klinge, mit denen sie mutwillig in die Äste einer Birke hieb. „Diese Gewächse gefallen mir am besten, sie haben eine helle Rinde.“
Es gelang Stohs erholten Augen nun, die Gestalt immer genauer wahrzunehmen. Das Gesicht war hell wie der Kern einer Schweißflamme. Bleiglastblonde Haare wehten, als er jetzt den Kopf wandte. Eine mit stacheligen Prismen besetzte Haut zog sich über seine Augäpfel, in den Prismen des Kettenflors brach sich das Sonnenlicht in winzige Regenbogen. Dann schoben sich von den edel-weißen Glutwangen herauf die kegelförmigen Lichtdornen aus glosendem Elfenbein über die Pupillen.
Lichtklinge drehte jetzt den Kopf genau zur Sonne und blickte hinein. „Siehst du, selbst die Sonne hat Flecken wie das Sumpf trüb dieser Oase ein Flecken in der Wüste ist.“
Er blickte wieder auf Stoh, und der grausame Blick durch die spitzen Lichtdornen traf den Alten wie zwei Meißelhiebe.
„Du bist so furchtbar wie ein Blick in die Sonne“ stöhnte der Alte auf.
„So will ich sein“, sagte Lichtklinge stolz, Lohen liefen wie ein Lächeln über sein Gesicht. „Ich will die ganze Wüste beherrschen, vom Flachland bis hierher in die Täler des Wolkengebirges. Und dann werde ich den sumpfigen Schatten dieser stumpfen Oase mit Schneekies zudecken.“
Stoh blickte zu der Frau hinüber. Sie war weiß wie Gips. Sie ähnelte eher einem erschrockenen Geist als einem Lichtwesen.
,Blaß vor Angst’, dachte Stoh. Die Frau kam zu ihm und schmiegte sich an. ‚Sie merkt, wie ähnlich ich ihr bin.’
Lichtklinge blickte unterdessen zur anderen Seite der Oase, wo langgezogene, flache Steinklötze ehemaliger Villen in schönstem Sisamhell erstrahlten. „Und du willst wirklich behaupten, Alter, um die herrlichen Steinblöcke zu verschönern hat man diese farblos, dumpfige Oase angelegt.“
‚Sinnlos, zu antworten’, dachte der Alte. ‚Wir haben vor Generationen unsere Welt zur Wüste zerstört, eine Öde, die wir nicht mehr ertragen
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