Science Fiction Almanach 1983
Spiegelbild ab: „Laserma sollte sich einem Hypnose-Beautysleep unterziehen. Das stärkt die Nerven und ist gut für das Aussehen.“
„Tessa ist und bleibt die Schönste!“ platzte Tyra heraus.
Muja verzog ihr Katzengesicht: „War! Wenn überhaupt.“
„Das klingt, als ob sie tot sei“, protestierte Tyra.
„Vielleicht ist sie tot. Weißt du’s?“
„Was war mit Tessa? Was ist mit Tessa passiert? Wollt ihr es mir nicht endlich erzählen?“ Chalilas Augen bettelten.
„Sie war deine Vorgängerin in unserer Wohnspirale. Sie war die älteste, schon zwanzig. Sie ist verschwunden!“ erklärte Tyra.
„Verschwunden, verschwunden“, maulte Muja.
„Wir sind hier 70 Kilometer von den nächsten Festlandspunkten entfernt. Die schnellste Luftkissenfähre braucht über eine halbe Stunde. Ein Volkshelikopter ebenfalls. Niemand kann diese Insel unbemerkt verlassen. Das wissen wir nur zu gut. Und trotzdem …“
„Trotzdem hat sich Tessa scheinbar in Luft aufgelöst“, vollendete Laserma Chalilas Gedankengang.
Tyra widersprach: „Tessa hat einen Unfall gehabt, sagen sie.“
„Wer ist sie?“ sagte Muja zornig.
„Man hört darüber nur flüstern“, wich Tyra aus.
Muja lachte. „Mich interessiert ‚man’ erst mit zwei n!“
Laserma stand noch immer an die Wand gelehnt. Doch in ihren dunkelblauen Augen stand keine Angst mehr. „Daß Muja männersüchtig ist, zwitschern inzwischen schon die Zilpzalpen von den Dächern!“
„Zilpzalpen auf Dächern? Die gibt’s nur in den Fanggärten der Vogelwarte in der Sapskuhle im Oberland“, verbesserte Tyra.
„Verschont mich bloß mit eurer Fossilmoral!“ Muja trat in die Mitte des Wohnraumsegments, das den Vorderteil der Grundrißspirale bildete. „Persönliche Bindungen sind für uns Finalistinnen verpönter Ballast. Mehr für andere tun, heißt mehr von sich selbst haben! So steht’s im Kodex.“
„Mich langweilen die Männer hier nur“, entgegnete Laserma und unterdrückte ein Gähnen.
„Vielleicht ist dein Lust-Recycling-System blockiert?“ sorgte sich Chalila ernsthaft.
Laserma verbiß sich ein Lächeln. „Männer sind langweilig, weil sie uns so ähnlich geworden sind! Höchste Zeit, daß sie sich endlich emanzipieren.“
„Dann mußt du zurück aufs Festland. Dort soll die Menliberation-Bewegung tollen Zulauf haben“, verkündete Chalila eine vermeintliche Neuigkeit.
„Ja ja“, sagte Muja, „das ‚starke Geschlecht’ will nicht länger bloß Mittel zum Zweck sein.“
„Was denn für ’nen Zweck?“ staunte das Küken mit Kulleraugen.
„Muja meint den Zweck aller Zwecke – ihr Vergnügen!“ stichelte Laserma und strich sich mit einer stereotypen Geste die Locken aus der Stirn.
Muja spielte die Überlegene. „Laßt die Emanzeriche nur antanzen! Wir werden ihnen schon einheizen.“
„Wenn du dabei bloß keine Superblamage erlebst! Seit dem bundesweiten Vorwärts-zur-Natur-Programm fühlen sich die Maskulinisten in ihrer aufgezwungenen Rolle als Freudenspender brutal ausgebeutet. Hast du nicht ihre Grundsatzerklärung gehört?“ Laserma nützte ihr schauspielerisches Talent als Männerimitatorin.
„Wir Verfechter der neuen Männer-Befreiungsfront“, tremolierte sie mit unsicherem Mädchenbaß, „fordern ab sofort das Recht auf den eigenen Körper, eine tarifliche Lusterfüllungs-Leistungszulage, mehr Zugeständnisse an die eigene Abgeschlafftheit und …“
„Und ein verlängertes Wochenende mit nostalgischer Pantoffelgemütlichkeit“, blödelte Chalila die Szene zu Ende.
„Ach, du irrer Globus!“ stöhnte Muja. „Und dafür habe ich mich mit siebzehn freiwillig
Weitere Kostenlose Bücher