Science Fiction Almanach 1983
giftgrünen, blutroten und knallgelben Farbflächen, zwischen denen kleine schwarze Lettern auf und ab tanzten, reizten ihn maßlos. Auf die Idee, daß es weitaus gefahrloser wäre, das Ding zu sich hochzuholen, kam er nicht.
„Gegen Schäden durch Atomkraft“, buchstabierte er schwerfällig, „und Automatisation versichert Sie …“ Es war ein mühsames Geschäft. Er gab es bald auf. Schnaufend brachte er seinen Kopf wieder auf Höhe der Theke. Er legte ihn behutsam auf den matten Belag. Das kühlte angenehm.
„Ist Ihnen nicht gut, Mr. Hofman?“ fragte eine tiefe Stimme.
„Bist du es, Sam?“ fragte Hofman, ohne aufzusehen. Er hielt die Augen geschlossen und gab sich diesem Regenbogengefühl hin und lauschte den klitzekleinen Tönen, die ihn umschwirrten wie Satelliten den Erdball.
„Ja, ich bin es. Wollen Sie eine Tablette? Eine Alka-Seltzer?“
„Da-danke. Nein. Bin völlig in Ordnung. Muß bloß schnell mal tauchen.“
„Tauchen, Mr. Hofman?“
Der Mathematiker blinzelte von unten in das besorgte Gesicht des Barkeepers, das als weite schwarze Fläche über ihm schwebte.
„Deine Stimme ist ja ganz ruhig“, sagte er unvermittelt.
Sam wußte nicht, was er darauf erwidern sollte.
„Und dein Gesicht – das ist auch voll Ruß!“ Große Verwunderung war in der Stimme des Mathematikers, so als habe er die Hautfarbe des Negers zum ersten Male bemerkt.
Jetzt schaltete Sam. „Das ist kein Ruß“, sagte er lachend, „das ist Schuhcreme.“
Hof man richtete sich fasziniert auf. „Tatsächlich. Das könnte die Lösung sein. Aber warte mal. Ich hab doch vorhin irgendwas erzählen wollen, irgendwas erzählen wollen …“ Verzweifelt rieb er sich über die Stirn. Der Drink wirkte ganz eigenartig. Die intellektuellen Fähigkeiten waren kaum getrübt. Aber das Zeitempfinden war gestört, und es war schwer, zwischen den einzelnen Gedankengängen den Zusammenhang herzustellen. Dazu kam das Gefühl, wie auf einer Woge von Euphorie und Unbekümmertheit zu schwimmen.
„Sie sprachen von Liebe und von Kybernetik, Mr. Hof man.“
„Ja richtig. Von Liebe und … Von was sprach ich?“
„Von Liebe und von Kybernetik.“
„Ja, richtig. Stellen Sie sich vor Sam, jetzt fällt mir das alles wieder ein. Das ist ja erstaunlich. Fällt mir das alles wirklich wieder ein. Also, passen Sie auf: Ein Freund von mir, er ist Dozent für kybernetische Psychologie an der Universität Innsbruck, also der hat seine Doktorarbeit über Liebe geschrieben. Mit einem kybernetisch-informationstheoretischen Ansatz. Mann und Frau, hat er gesagt – und das finde ich wirklich nicht dumm –, die bilden zusammen einen komplizierten Regelkreis. Und natürlich auch ein homöostatisches System, bei dem der Eingang den Ausgang und wiederum der andere Ausgang den anderen Eingang mit Informationen beliefert …“
„Ich glaube nicht, daß ich’s verstehe, Mr. Hofman, auch wenn Sie sich noch soviel Mühe geben. Ich weiß nicht genug über diese Theorie.“
Der Einwand kam bei dem Mathematiker nicht sofort an die richtige Stelle. Er irrlichterte eine Weile durch die verschiedenen Gehirnzentren. Währenddessen sprach er weiter:
„… und die ständigen Rückkopplungen, die unweigerlich stattfinden, das werden Sie zugeben müssen.“ Hofman machte dabei ein sehr ernsthaftes Gesicht, weil ihm gar nicht zu Bewußtsein kam, wie komisch seine Ausführungen waren, wenn man sie wortwörtlich nahm. „Nicht wahr, das werden sie zugeben müssen, daß diese Rückkopplungen dann die Liebe sind. So einfach ist das, jawohl.“
„Hm“, sagte Sam.
„Aber Sie haben recht, Sam. Das ist graue Theorie. Komm, mixen Sie mir noch einen.“
„Gleich, Mr. Hof man. Aber keinen Z EITZÜNDER
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